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Harte "Kampftrinker" und Ice-Cream-Fans

■ 40 Jahre nach der Blockade: American Way of Life auf dem Flugfeld / Statt Trockenmilch trockene Hamburger und "echt American Beer"

„Vor vierzig Jahren hätte ich nicht so stolz zu unseren amerikanischen Freunden gehen können.“ Ein breites Grinsen steht im Gesicht des Mittvierzigers, während er sich auf seinen Bauch klopft, geduldig in der Schlange wartend, um die Taschenkontrolle am Eingang zum Tempelhofer Flugfeld zu passieren. Als „Kampftrinker“, so jedenfalls steht es auf seinem T-Shirt, das mühsam die Fülle der Kugel über dem Gürtel zu verbergen sucht, aufgedruckt, will er in den Vergleichskampf treten, den „amerikanischen Freunden“ beweisen, daß auch „echt American Beer“ von deutschen Mägen im 6-Pack geschluckt werden kann.

Zehntausende hatten auch in diesem Jahr wieder die „offene Tür“ des Tempelhofer Flugfeldes eingerannt, um mit Kind und Oma Pfingstgemäß die Segnungen der „amerikanischen Schutzmacht“ zu inspizieren. Und das Volk ist so bunt gemischt wie die Waffensysteme von Amis und Briten und Franzosen: Da ist die achtzigjährige Dame, die sich mit ihrem Krückstock nur mühsam bis zur „Hungerharke“ vorkämpft, die Kränze mit den bunten Schleifen „den Opfern der Luftbrücke“ begutachtet, eine Rose niederlegt, sich dann weiter bis zum Flugfeld quält. Noch einmal sehen wollte sie die Flieger, die damals Kohlen und Kartoffeln, Trockenmilch und Trockengemüse herbeikarrten. Da das kleine Trüppchen kahlgeschorener Jungendlicher, im Kampfanzug, amerikanische Flaggen auf dem Rücken. Sie fahren Schützenpanzer wie andere Auto-Scooter. Familien in Scharen, mit Kindern und Babys; Deutsche, Amerikaner, auch Türken suchen ihre „Unterhaltung“ auf diesem Volksfest: Während Papi fachmännisch die Schauflüge der Bomber und Rosinen-Bomber begutachtet, können sich Sohn und Tochter für 5 Mark im echten Hubschrauber als „Pilot“ ablichten lassen, mit Urkunde, Stempel und Unterschrift.

Oder sie können als Zweijährige antesten, wie's sich wohl mit einer MG schießen läßt, wieviel Spaß es macht, als Fallschirmjäger im Gurt hängend am „Parachute-Ride“ über eine Sandschlucht zu rutschen oder mit Original-US-Stahlhelm auf dem Panzerturm herumzuklettern.

Das militaristische Gehabe kommt an, Kritik wird nirgends laut. Sie sind zufrieden mit „unseren Amis“, die Berliner.

Wir fragten einige Besucher, was sie von den sowjetischen Abrüstungsvorschlägen halten und ob die Präsenz der Alliierten in Berlin eigentlich noch erforderlich wäre:

Erna G., Hausfrau, Mitte 50:

Gorbatschow? Na klar, finde ich das gut, daß der die Sprengköpfe abbauen will. Aber Panzer und so haben die doch auch noch, nich? Nee, nee, laß die Amis mal hier! Sind doch nette Leute, nich!

Fritz H., Rentner, Anfang 70:

Wissen Se, wenn die det wirklich machen, Raketen weg, Panzer verschrotten, und so! Da soll'n se mal mit anfang, de Russen! Und wenn se denn ooch die Jarantien für Berlin vajebm, anne Uno oda so, denn isset O.K., wenn de Amis nur noch „symbolisch“ hier sind, wa! Soll mal Rot-Grün durchsetzen, und ooch bei Honecker!

Bjoern F., Schüler, 17:

Nee, die Waffen hier interessieren mich an sich ja nich so. Obwohl, ist ja schon interessant, mal durch so'n Zielgerät zu gucken...! Panzer verschrotten? Na klar, überall! Und auf den Kudamm stellen, umgedreht, wie die Lok im letzten Jahr, am Anhalter!

Hans Sch., Fernfahrer, Ende 30:

Nee, nee, den Russen trau ich nich übern Weg! Laß die Amis mal hier, Abrüsten könn‘ die drüben ja auch so. Und das Fest hier ist doch nich so schlecht, würde ja sonst auch wegfallen! Ich bin fast jedes Jahr hier, mit der ganzen Familie! Is aber schon mal besser gewesen, Hamburger und so schmecken bei Burger King auch besser als hier.

medi

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