: Israel zieht die Daumenschrauben an
■ Nach dem politischen Zuckerbrot der „Friedensinitiative“ folgt nun die Peitsche in den besetzten Gebieten / 40.000 Palästinenser auf der Straße gen Süden / Schamir bekommt Druck aus den eigenen Reihen / „Siedler starten Strafoperationen“ gegen Palästinenser
Jerusalem (ap/afp) -Der israelische Ministerpräsident Jizchak Schamir ließ am Mittwoch von seinem Sprecher erklären, er werde zurücktreten für den Fall, daß der rechtsgerichtete Likud-Block, dem er angehört, den am Wochenende mehrheitlich angenommenen Friedensplan für die besetzten Gebiete torpediert. Schamir hatte am Mittwoch damit begonnen, seine Friedensvorschläge, die Wahlen und vorübergehende Selbstverwaltung in den besetzten Gebieten vorsehen, dem Parlament vorzustellen.
Handels- und Industrieminister Scharon, einer der erklärten Gegner solcher „Zugeständnisse“, hatte am Dienstag erklärt, er werde das Zentralkomitee des Likud einberufen, um gegen die Friedensinitiative vorzugehen. Der Hardliner Scharon und einige Parlamentsmitglieder der extrem rechten Tchia-Partei initiierten einen Mißtrauensantrag gegen Schamir und begründeten ihren Schritt damit, daß wachsende Militanz in Israel zu einem „neuen Aufstand“ führen könne, diesmal jedoch „innerhalb der eigenen Grenzen“.
Die Friedensvorschläge der israelischen Regierung waren am Montag sowohl von der Palästinensischen Befreiungsorganisation P.L.O. in Tunis als auch von den Palästinensern in den besetzten Gebieten als „trügerisches Manöver“ abgelehnt worden. Wenige Stunden nach der Verabschiedung der offiziellen israelischen Friedensinitiative hatten die Militärbehörden am Montag eine unbefristete Ausgangssperre über den gesamten Gaza-Streifen verhängt, um, wie der stellvertretende Außenminister Netaniahu am Mittwoch einräumte, „Druck auf die Palästinnenser auszuüben, den (israelischen) Plan zu akzeptieren“.
Inzwischen sind Tausende von Palästinensern auf dem Heimweg aus Israel in den Gaza-Streifen. Mit Privatautos, Bussen und Taxis zogen am Mittwoch bis zu 40.000 Menschen gen Süden. Hunderte standen am Straßenrand in der Hoffnung, die 75 Kilometer per Anhalter zu schaffen. Nach der am Montag verhängten totalen Ausgangssperre wurden jetzt die in Israel arbeitenden Palästinenser gezwungen, Israel und damit ihren Arbeitsplatz zu verlassen. „Wir müssen ihnen zeigen, daß sie nicht in Israel ihr Geld verdienen und gleichzeitig in den besetzten Gebieten gegen uns kämpfen können“, warnte ein israelischer Offizier, der gleichzeitig andeutete, daß das Ausgangs- und das Arbeitsverbot im Gaza-Streifen bis zu einem Monat andauern könnte.
Die Leiden der palästinensischen Bevölkerung werden dabei ganz offenbar von den israelischen Behörden einkalkuliert: „Wir müssen einen Weg finden, der den Aufstand für sie zu teuer werden läßt“, kommentierte Justizminister Meridor die Entscheidung, die möglicherweise auch auf die Westbank ausgedehnt werden kann.
Während am Dienstag abend bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und den israelischen Militärbehörden zwei Palästinenser getötet wurden, unternahmen mehrere hundert Siedler aus Kyriat Arba nahe Hebron Strafoperationen gegen Palästinenser, indem sie Brände legten und mit Gewehren auf Wohnhäuser feuerten.
In der Nacht zum Mittwoch war ein Palästinenser, der mit einem Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen in einem nordisraelischen Gefängnis protestierte, infolge von Flüssigkeitsmangel gestorben. Der 50jährige Mohamed Assaad Fukaah hatte seit acht Monaten im Gefängnis gesessen.%%
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen