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Feminismus in Chile-betr.: "Die Freiheit trägt den namen der Frau", taz vom 3.5.89

betr.: „Die Freiheit

trägt den Namen der Frau“,

taz vom 3.5.89

Das Zitat von Ulrike Helwerth aus der Äußerung einer chilenischen Feministin „Politisch bin ich eine hundertprozentige Reformistin, kulturell dagegen radikal“, resümiert in bester Form, was für eine ideologische Prägung dieser Feminismus beinhaltet.

Der feministische Ansatz, den der Artikel zeigt, trägt die ideologische Botschaft, sich ein gefühlsmäßiges Paradies mitten im ökonomischen Urwald des chilenischen „freien Marktes“ schaffen zu können, unabhängig von der menschlichen Destruktivität, die solche Ökonomien im Zusammenhang mit dem Repressionsapparat in den letzten 15 Jahren verursacht haben.

(...) Es ist zu merken, daß diese feministische Tendenz innerhalb der Frauenbewegung in Chile die gleiche Atmosphäre wie bei der „Nein„-Kampagne vor dem Plebiszit (Ende 1988) nachzumachen versucht, einen christlich-mystischen Stil, wodurch die Massen nur dazu aufgerufen werden, sich die Hände zu geben, Hymnen zu singen, zu tanzen, den „la alegria ya viene“ (die Freude wird schon kommen). Aber, wer soll diese Freude wie, diese gewünschte Geborgenheit, diese weibliche Energie schaffen? Das bleibt Emotion, Hoffnung, ohne eine klare Handlung.

Auf jeden Fall, diese Ideologie negiert den Massen ihren Charakter als handelnde Subjekte bei der Suche nach Erfüllung ihre elementaren Bedürfnisse, bei der Änderung der Gesellschaft. Im Gegenteil, die Massen sollen jetzt erzogen, therapiert, geführt werden, ihnen soll geholfen werden. Das ist die ideologische Essenz der „renovierten“ „modernisierten“ sozialistischen Tendenzen, die in PPDs, Konzertierte Aktion für Demokratie, Sozialistische Konvergenzen usw., die nach einer blutigen Erfahrung die schöne Harmonie für Chile sich vorstellen, ohne Klassenkampf.

Diese Ideologie ist aber nicht aus den internen chilenischen Verhältnissen entstanden, sondern aus den Verhältnissen in entwickelten kapitalistischen Länder in Europa und Nordamerika, und nach Chile durch die arbeitslosen Intellektuellen importiert.

In dieser „neuen Art“ von Veranstaltungen wird auch nicht mehr über die Realität gesprochen und wie man diese harte Realität bewältigen kann, statt dessen wird Lichtzauber, Farbe, Musik geboten; und nach dieser Gruppendynamik wieder nach Hause gegangen, wo man nichts zu essen hat, die Wohnung im Dunkeln bleibt, weil der Strom nicht bezahlt werden konnte, die Kinder der Nachbarin wieder krank sind.

In solchen Veranstaltungen sagt man nicht, daß die versprochene Freude, die nach dem Plebiszit kommen sollte, nicht gekommen ist und daß statt dessen viele ArbeiterInnen ihren Job verloren haben, weil sei mit „Nein“ gestimmt hatten. Nichts davon, daß mehr als 50 WiderstandskämpferInnen durch den offiziellen Repressionsapparat und durch die inoffiziellen zivilen para -militärischen Todesschwadronen ermordet wurden. Nichts von der Verfolgung und Ermordung von GewerkschaftlerInnen in den letzten Monaten, über solidarische Aktionen für politische Gefangene (und insbesondere von inhaftierten Frauen), über die Erhöhung der Lebensmittelpreise, der Mieten, des öffentlichen Verkehrs etc.

Von welcher Freude, Geborgenheit ist dann die Rede bei diesen „renovierten“ sozialistischen Vorstellungen? Es entsteht der Eindruck, daß in Chile die Stunde der Aktion durch die Stunde der Hoffnung ersetzt wurde, ähnlich wie in der Botschaft des Papstes 1987 als dieser Chile besuchte.

Aber dieser feministische Ansatz entspricht nicht den realen Bedürfnissen für die die Frauenorganisationen gekämpft haben. Diese Frauenbewegung existiert, meist ohne große Relevanz, außerhalb des Zentrums Santiagos und in den südlichen und nördlichen Provinzen. Diese Frauenorganisationen fordern die Zurückgewinnung der Rechte, die sie während der Regierung der Unidad Popular (1970-1973) gewonnen hatten und natürlich deren Erweiterung.

Diese Rechte waren u.a.: Recht auf Arbeit (ohne Job kann sich keine Frau von den patriarchalischen Verhältnissen emanzipieren), gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gesetzliche Mutterschaftsversorgung, soziale Wohnungspolitik, kostenloses Erziehungs- und Gesundheitswesen, einen Liter Milch gratis und täglich für ihre Kinder, das verlorene Recht vieler chilenischer Haushälterinnen auf geregelten Lohn, geregelte Arbeitszeit, das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung, auf Erziehung. Heute werden diese Frauen als Sklavinnen behandelt und viele Mittel-Oberschicht-Frauen brauchen ein Dienstmädchen.

Diese Frauenbewegung/-organisationen haben kaum Zutritt zur Öffentlichkeit, noch weniger auf finanzielle Unterstützung des Auslands. Sie organisieren sich in Fraueninitiativen in ihren Wohnvierteln, in Fabriken, Minen, in Gewerkschaften und Parteien. Sie sind aktiv bei sozialen Konflikten und parallel dazu thematisieren sie ihre Situation als Frauen in einem abhängigen kapitalistischen unterentwickelten Land wie Chile.

Sie machen sich nicht viele Hoffnungen, daß die zukünftige Regierung nach (oder mit) den Militärs für sie eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse bringen wird. Und sie haben keine Alternative als politisch radikal zu sein, denn sie haben nichts zu verlieren.

Isabel Montero

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