piwik no script img

Post aus der Moderne

Strasburg, 19ter May 1792 (Strasburgisches politisches Journal) - Der Eigennutz, welcher sich auf Geld und Reichtümer bezieht, sollte billig bei jeder Menschen beglükenden Stats-Reform der letzte Zwek seyn; auf welchen der Weise und der Patriot sieht, aber auch in dieser Rücksicht treten bei der fränkischen Reform so hohe und wichtige Betrachtungen ein, daß ganz Europa, vorzüglich aber Teutschland, auf diesen Punkt den höchsten Werth zu sezen hat. Der unersättliche Geldgeiz der vormaligen französischen Stats-Verschwender hat diesen alten Welttheil und

vornehmlich seine handelnden Staten Jahrhunderte über ausgeplündert. Wir Teutschen haben zwar unmittelbar diesen Gözen am wenigsten geopfert, desto leichtsinniger hingegen Schweizer, Holländer und Genoueser. Umarmen also sollte also jeder Teutsche, welcher es mit seinem Vaterlande wohl meint, seine liebevollen menschenfreundlichen Nachbarn jenseits des Rheins, daß sie grosmüthig genug sind, die Welt nicht unter der vorigen Inkonsequenz ihrer Könige und der Bosheit ihrer Minister leiden zu lassen, daß sie die hohen Gesetze der Redlichkeit ihrem Privat-Nutzen vorziehen, Treue und Glauben mehr schäzen als die tückischen Anschläge ihrer häßlichen Aristokraten. Denn, worin bestunden denn die, wenn man sie bei hellem Licht prüft? In nichts geringerm als in einem totalen französischen Stats-Bankrot, welcher auch von ihrer Seite schon wirklich erklärt war. Und was würde noch jezt eine Gegen-Revolution in Frankreich, woran die meisten teutschen Regenten, mehr oder minder, verstekter oder offentlicher mitarbeiten, zur nächsten unvermeidlichen Folge für Frankreich haben, als einen totalen Stats-Bankrot? Und was wäre davon die nächste unausweichbare Folge für die ganze teutsche Nation? Ein allgemeiner Bankrot in den Niederlanden, in Helvetien und Italien, und somit der gänzliche Ruin aller teutschen Handelsleute, begleitet vom tiefsten Elend und von der größten Armut der sogenannten niedern oder der wichtigsten und zahlreichsten Klasse der Nation, mit Einem Wort des ganzen teutschen Bürger-Stands. 29.FLOREAL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen