piwik no script img

Beim 1:2 war der Glaube weg

UEFA-Cup-Finale: VfB Stuttgart - SSC Neapel 3:3 (Hinspiel 1:2) / Neapolitaner verschleppen Pokal zum Vesuv  ■  Aus Stuttgart Herr Thömmes

Zu den fundamentalen schwäbischen Einsichten gehört sicher auch diese: „Schaffa isch a G'schäfd.“ Weshalb der überaus polyglotte Trainer Arie Haan, voll assimiliert, vor dem Spiel die Devise ausgab: „Wir werden 90 Minuten lang viel arbeiten müssen.“ Und der den Betrieb verlassende Jürgen Klinsmann gelobte, „für meinen alten Arbeitgeber“ noch einmal ordentlich die Ärmel hochzukrempeln.

Es waren keine leeren Versprechungen; die Kicker des VfB scheuten weder Müh‘ noch Plag‘. Wenn es dann schließlich doch nicht gelang, das 1:2 aus dem Hinspiel zu korrigieren, so war das nicht etwa „älles nobschissa“, wie eine Zuschauerin wähnte, mithin Ergebnis einer betrügerischen Manipulation seitens des SSC Neapel, sondern lediglich Ausdruck unterschiedlicher Möglichkeiten zweier Mannschaften.

Darüber nämlich war leicht Einigkeit zu erzielen: Die Besseren hatten den Pokal gewonnen, und vom Schiedsrichter sollte diesmal nicht die Rede sein. So sah es Haan, so sah es Karl Allgöwer. „Beeindruckt von fast allen“ im Dreß Neapels zeigte sich der Trainer, die waren eben einfach „abgeklärter“. Deshalb wollte sein stürmender Libero auch gar nicht lange Trübsal blasen, sondern zügig auf positive thinking umschalten. „Vor drei Jahren noch wären wir hier ins Debakel gelaufen“, jetzt hat es immerhin zu einem 3:3 gereicht gegen „die spielerisch stärkste Mannschaft“, die er kennt. Warum also nicht „lernen, aus solchen Situationen zu profitieren“?

Zunächst aber einmal gilt es für seine Mitstreiter, die jüngsten Schläge zu verdauen: draußen im DFB-Pokal, unterlegen im Finale des UEFA-Cups, darf jetzt in der Bundesliga nichts mehr passieren. Das Stuttgarter Team ist recht teuer für hiesige Verhältnisse, und ohne internationalen Wettbewerb ist es nicht zu finanzieren.

Es sah ja auch lange Zeit nicht schlecht aus, was der VfB am Mittwoch zu bieten hatte. Ein wenig hektisch vielleicht war der Beginn, doch dann kam binnen einer Minute Allgöwer gleich zweimal dazu, mittels Fuß und Kopf Giulianis Tor anzupeilen (15.). Trotzdem hat er in der Phase „Angst g'habt“ und kommen sehen, was dann kam, „aber ich hab‘ es nicht verhindern können“. Doppelpaß von Alemao, bis zu seinem Ausscheiden nach einer halben Stunde der wohl stärkste aus dem Feld, mit Careca, gespielt mit äußerster Präzision: 0:1.

Kein Zufall war es auch, daß gerade Klinsmann noch einmal Hoffnung keimen ließ: Unermüdlichster Schwabe an diesem Abend, setzte er einen Eckball von Sigurvinsson per Kopf ins Netz. Doch „allein kann's der Jürgen nicht“ (Allgöwer). Wohl wahr. Unterstützung aber war nicht in Sicht: Gaudino schien gelähmt vom plötzlichen Ruhm, und Fritz Walter hatte mit Corradini und dem Ball gleich zwei unerbittliche Feinde gegen sich. Für ihn rückte dann Klinsmann in die Mitte, was ihm viel an möglicher Wirkung nahm.

Noch immer aber schnupperte der VfB am Pokal, getrieben hauptsächlich von Katanec und Sigurvinsson, gesichert nach hinten von den guten Herren Hartmann und Schmäler, bis auf einmal die Zuständigkeit für Ferrara nicht geklärt werden konnte. Der, Verteidiger von Haus aus, stand fünf Meter vor dem Tor, dem Stuttgarter, und verlängerte einen Kopfball von Maradona kurz vor der Pause. Die Entscheidung bereits, denn „beim 1:2 war der Glaube weg“ (Haan).

Der Rest war Zugabe. Einmal noch das Duo Maradona-Careca in Aktion, der aufgeregte de Napoli mit einem ganzen und einem halben Eigentor, Carnevale wartet nur noch auf die Flaschen voll Frizzantino. Der SSC hat das Spiel im Griff und gleich darauf auch den Pokal.

Dem VfB immerhin bleibt ein Batzen Geld, was ja nicht unwichtig ist für eine gedeihliche Zukunft. 4,5 Millionen Mark brutto, so muß geschätzt werden, denn eine Zahl wollte Geschäftsführer Ulrich Schäfer nicht rausrücken. „Wir sind“, mußte sich der italienische Reporter sagen lassen, „in Schwaben. Dort redet man nicht gern über Geld.“ Und dann hat er gelacht, der Herr Schäfer.

STUTTGART: Immel - Allgöwer - Hartmann, Schäfer - Gaudino, Nils Schmäler, Katanec, Sigurvinsson, Schröder - Klinsmann, Walter (78. Olaf Schmäler)

NEAPEL: Giuliani - Renica - Corradini, Francini - De Napoli, Fusi, Alemao (31. Carannante), Ferrara, Carnevale - Careca (70. Bigliardi), Maradona.

ZUSCHAUER: 69.000

TORE: 0:1 Alemao (19.), 1:1 Klinsmann (27.), 1:2 Ferrara (40.), 1:3 Careca (62.), 2:3 De Napoli (68./Eigentor), 3:3 O. Schmäler (90.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen