KÜCHENGETÖSE

■ „Improvisierte Musik“ unterm Dach

Nein, Getöse war es eigentlich nicht, was sich in der „Küche“ in der Reichenberger Straße 104 hören ließ. Nach Erklimmen von vier Treppen durch ein Treppenhaus, in dem Gewerbe seine dreckigen Spuren hinterläßt, erreicht man diese Fabrik-Etagen-Berliner-Zimmer-tatsächlich-Küche. Herd, Spüle und (getaner) Abwasch harren stumm in einer Ecke der Dinge, die da kommen mögen, ebenso wie die Zuhörer und Zuhörerinnen.

Nina Goerde (Stimme), Paul Hubweber (Posaune), Mathias Bauer (Kontrabaß) und Helmut Bieler-Wendt (Geige) - statt Erhard Hirt, Gitarre - gaben sich durchaus kammermusikalisch, denn der kleine Raum läßt differenzierte Artikulation zu, die die Musiker mit vielen leisen Tönen zu nutzen wußten. Störend wirkte jedoch mitunter der Posaunist mit seinem Arsenal an Stopf-Utensilien von Blumentüte über Plastikschlauch bis Styroporball. Das ist inzwischen zu sehr Klischee, ebenso wie das geräuschvolle Fallenlassen eben dieser Utensilien.

Im ersten Set wurden mehrere kürzere Nummern geboten. Nina Goerde rezitierte im Sprechgesang Texte oder Textfragmente aus einem Büchlein, betrieb Lautmalerei, überwandt schnell die anfängliche Zaghaftigkeit und bewies, was in ihrer Stimme steckt. Die Stücke vermitteln Homogenität, sind geschlossene Einheiten, oft getragen durch die hervorragende Arbeit des Bassisten und die konsequente Thematisierung des Geigers.

Verloren ging dabei nicht das Aufeinandereingehen der Musiker, die Kommunikation klappte fast immer, und besonders Nina Goerde und Paul Hubweber glänzten hier. Die Zeiten, wo das Schaffen gemeinsamer Akzente lediglich über „laut-leise“ abläuft, scheinen in diesem Genre der Musik endlich vorbei zu sein.

Der absolute Höhepunkt des Abends war das letzte Stück vor der Pause. Im Duo Stimme/Bass wurde eine Geschichte vorgetragen. Sprachlich unverständlich, weil von Französisch über Hebräisch und wer weiß was, war alles dabei, doch packend, prickelnde Schauer über den Rücken jagend, war sie allemal. Nina Goerde gestaltete dramaturgisch durchdacht, ging aus sich heraus, fesselte sämtliche Sinne. Mathias Bauer schuf hierfür den besten Background, ohne sich jedoch zum Begleiter zu degradieren.

Der zweite Set war leider schwach, schien unkonzeptioniert und führte in langatmigen Passagen bekanntes Rumgeklingel vor. Nina Goerde arbeite nur noch lautmalerisch, aber ohne Linie. Sie ließ sich mal von dem und mal von jenem inspirieren, was ja eigentlich nicht schlecht ist, hier aber das Gefühl von „Springen“ und fehlender eigener Aussage vermittelte. Es reicht nicht, sich das „Repertoire“ für einen Block zu erarbeiten und dann zu verfahren nach dem Motto: Es wird uns schon was einfallen. Hier tritt ein Manko zutage, was bei vielen Konzerten improvisierter Musik zu beobachten ist: sie sind zu lang.

Der Mut, ein kurzes, aber intensiv gestaltetes Konzert abzuliefern, täte vielen Ensembles gut.

ach