Nix gelernt-betr.: "Die Mülltonne des Kontinent", (Was grünt denn da am Weg?), taz vom 19.5.89

betr.: „Die Mülltonne des Kontinents“, (Was grünt denn da am Weg?), taz vom 19.5.89

Seit zwei Monaten bin ich nun als Umschüler zum Gärtner (Zierpflanzen) tätig - auf dem Gelände des Gartenbauamtes Zehlendorf. Dabei fiel mir folgendes auf:

Jedem Kleingärtner wird mittlerweile geraten, auf chemische Spritzmittel zu verzichten. Dazu wurde geäußert, das sei hier kein Hobbygarten, sondern ein Produktionsbetrieb. Der Chemieeinsatz beginnt bereits beim Desinfizieren der Gefäße, setzt sich fort vom Pikieren bis zum Großziehen der Pflanzen (einschließlich der „Wachstumsregulierung“). Fragen, ob das denn nicht auch anders gehe, zum Beispiel was denn biologisch-organischer Anbau bedeute, werden nicht nur abgeblockt, sondern offenbar als störend empfunden (...). Selbst Fragen, ob die Eternitplatten der Lagerschuppen möglicherweise noch asbesthaltig sind, werden ignoriert. Oder statt dessen gleich eine Dachbegrünung vorzunehmen (wäre das nicht mit praktischem, zukunftsorientiertem Lernen für uns UmschülerInnen verbunden?), oder einen Teich anzulegen (das Gartenbauamt verfügt auf dem Gelände über einen verkommenen Abwassertümpel): das stehe alles nicht im Ausbildungsplan (dafür acht Stunden Sandsieben?). Auch der Gedanke an ein Regenwasserauffangbecken ist offenbar abwegig: „Das Regenwasser in diesem Einzugsbereich kann nicht zum Gießen verwendet werden, da es zu belastet ist“, sind Worte des Ausbildungsleiters dazu. Bisher dachte ich, solche Themen seien in Anbetracht der allgemeinen Umweltdiskussion ja schon selbstverständlich - vor einigen Wochen gab es in den Messehallen eine Ausstellung: „Wir und unser Wasser“ -; die Reaktionen zeigen leider anderes.

Der Ausbildungsleiter erklärte: „Auch Sie werden mit Vollmaske und weißem Schutzanzug, Gummistiefeln und Schutzhandschuhen hier herumlaufen und Gift spritzen.“ (...)

Doch mit der Bemerkung, was denn die Parkplatz auf dem Freigelände zu suchen habe, scheint ja die heilige Kuh selbst getroffen worden zu sein (er ist ja wirkich idyllisch gelegen unter Kiefern - aber würden Heidelbeeren und Brombeeren da nicht besser hinpassen?). Da brach endgültig Panik aus. Jetzt fahren sie auch schon zwischen den Frühbeeten mit den Autos rum.

Und wie ist das alles mit der angesagten ökologischen Stadterneuerung zu vereinbaren? Oder ist das Rathaus Schöneberg zu weit entfernt? Die Buga von 1985 scheint hier jedenfalls irgendwie spurlos verübergegangen zu sein. Sollte es denn aber nicht so sein, daß vom Gartenbauamt in Verbindung mit dem Berufsbildungswerk (BBZ) eine positive Signalwirkung ausgeht, unter ganzheitlichem Gesichtspunkt?

Wolfgang Lechner, Berlin 65