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Null Bock - Sex und Alkohol

Handball-Europapokal der Pokalsieger: TuSEM Essen - US Creteil Paris 19:16 (Hinspiel 16:17)  ■  Aus Essen Ernst Thoman

Curt Wadmark ist ein wirklich netter alter Schwede. Der Vizepräsident der Internationalen Handball-Föderation (IHF) rückte die güldene Vase nicht für den Kapitän des neuen Europapokalsiegers heraus. Der Däne Eric Rasmussen durfte statt dessen als erster Essener beide Hände an den Cup legen. Unter den unvermeidlichen „Queen„-Klängen („We are the champions“) und dem Gemisch von Hallenhitze, Schweiß und spritzendem Schampus reckte der Jurastudent den Pott in die Höhe. Wikinger Rasmussen hatte mit zehn Toren fast im Alleingang die trauernden Blauhemden von US Creteil ins Flugzeug geschickt, das Bankett geschah ohne sie. Mit einem 19:16 (8:8) und einer „Wunschniederlage“ von 16:17 im ersten Finalspiel gewann der dreifache und maifrische bundesdeutsche Handballmeister TuSEM Essen den Europapokal der Pokalsieger.

Ein erwarteter Gewinn, der ungeahnt schwer fiel. Jagdszenen mit Eishockeymanieren und Catchen am Kreis wurden sieben Minuten vor dem Sektbad von zwei völlig indisponierten Dänen gekrönt. Das unsägliche Schiedsrichtergespann Christensen/Jörgensen dividierte sich beim vorentscheidenden Siebenmeter (dem sechsten für den Dänen Rasmussen) zum 16:13 regelkundlich völlig auseinander. Torschiedsrichter Jörgensen sah sehr richtig ein klares Stürmerfoul von Rechtsaußen „Quattro“ Peter Quarti - Kollege Christensen zeigte auf den Siebenmeter-Querstrich.

Ein Grund mehr für Herrn Wadmark, einst Aktiver im legendären Drei-Kronen-Team, als Funktionär eine ausnehmend gut geputzte Brille zu besitzen. Er attestierte den Schiedsrichtern in schlichten Worten eine schlechte Leistung und spendete den Franzosen Trost: „Sie sind in ihrer Entwicklung auf dem besten Wege. Die ein bißchen bessere Mannschaft hat ein bißchen verdient gewonnen.“

DHB-Präsident Bernhard Thiele konnte sich euphorisch nur über Statistisches freuen. Mit den Erfolgen von TuRu Düsseldorf im IHF-Pokal und dem Essener Krampf- und Zittersieg an einem Tag („Wann hat es das im bundesdeutschen Handball jemals gegeben?“) sollte für den Bremer das Trauma der B-WM endgültig überwunden sein. Thiele sparte allerdings nicht an Kritik gegenüber dem wenig überzeugenden Martin Schwalb und den Außen Quarti und Fraatz.

Die zogen sich vor dem Duschen ein T-Shirt über. „Null Bock - Sex und Alkohol“ stand da zu lesen, eine Anspielung auf die Kritik der letzten Wochen. Discogänge statt Laufarbeit am Kreis und mangelhafte Haltung in der zivilen Berufsausbildung wurde den Stars vorgehalten. Launig zogen sie nun mit Polonaise durch das Hallenfoyer. TuSEM-Trainer Hans-Dieter Schmitz hielt die Hand darüber: „Es war eine tödliche Saison, einige haben am Stück nur Handball gespielt.“ Bankettgast Uli Roth, Intimfreund von Martin Schwalb, war gleicher Meinung: Für den Großwallstädter, der auf volle Teller am Buffet verzichtete, wird die Saison erst mit dem Pokal-Rückspiel in Gummersbach beendet sein.

Essen hingegen sieht sich am Anfang einer neuen Ära. Die Befreiung aus dem Schatten von Altmeister VfL Gummersbach ist längst vollzogen, TuSEM („Ein starkes Stück Revier“) ist die aktuelle Nummer eins. Für die Höhenluft sorgt maßgeblich der quicke Manager und Edeka-Direktor Klaus Schorn, der beim „Leben seiner Großmutter nicht über Geld sprechen“ mag. So sprach Junggeselle Schorn vor dreihundert Gästen lieber nachdenklich über Zeit: „Zur Besteigung der Zugspitze brauchte ich sechs Stunden. Zeit, den Gipfel zu genießen, gab es nur für wenige Minuten.“

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