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„Notfalls fahre ich auch Rad“

■ SPD-Verkehrssenator Wagner gegen autofreie Stadt, aber für Tempo 30 / Verkehrsinitiativen diskutierten mit dem Senator

Den stärksten Applaus auf dem Verkehrspolitischen Ratschlag am Dienstag abend erhielt Michael Eggert, ehemaliger AL -Abgeordneter und Rollstuhlfahrer. Er kündigte eine Besetzung der ADAC-Geschäftsstelle an und rief den Teilnehmern des von der AL organisierten Ratschlags zu: „Wir laden euch alle ein!“

Das Publikum, vor allem der Initiativenszene zugehörig, hätte sich solche Entschiedenheit auch vom Hauptreferenten des Abends gewünscht, dem neuen SPD-Verkehrssenator Horst Wagner. Daß er den Autofahrern ein „Miteinander“ anbieten will, rief heftige Proteste von Menschen hervor, die gehofft hatten, nach Jahren der Autowut werde der neue Senat gegenüber den Kraftfahrern energischer auf die Bremse treten. Doch Wagner plädierte lediglich für eine „intelligentere Nutzung“ des Autos. Radwege auf der Fahrbahn zum Beispiel macht Wagner davon abhängig, daß sie dem motorisierten Verkehr nicht zu viel Platz rauben. „Es wird aus meiner Sicht keine autofreie Stadt in Berlin geben“, verkündete der ehemalige IG-Metall-Chef sein Credo.

Der Exgewerkschaftsboß referierte zwar die Ausbauprogramme für die S-Bahn und die „Beschleunigungsmaßnahmen“ für den Busverkehr, ganz so, wie sie in den Koalitionsvereinbarungen stehen, verwies gleich anschließend jedoch auf Grenzen des Machbaren. Bau und Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel seien ein „Ausdruck von Wohlstand“. Die „Folgekosten“ jeder Streckeneröffnung seien stets zu bedenken. Über das zwischen AL und SPD bereits Vereinbarte hinaus versprach Wagner lediglich eins: Demnächst sollen wieder „Schnellbusse“ durch die Stadt sausen, die nicht an jeder Haltestelle stoppen. Ein AL-Verkehrspolitiker war enttäuscht: Er könne den SPD -Politiker immer noch nicht einschätzen.

Einige Ankündigungen machte Wagner doch noch. „Zügig“ will er „für weite Flächen der Stadt“ Tempo 30 einführen. Nur die Hauptverkehrsstraßen sollen davon ausgenommen werden. Dem Einwand, daß Straßenumbauten notwendig wären, um diese Geschwindigkeitsbeschränkungen wirksam durchzusetzen, begegnete der Senator mit dem Hinweis auf fehlende Mittel. Vorerst werde das Tempolimit nur mit Schildern „eingefordert“. Mehr Parkuhren und höhere Parkgebühren sowie „weitere flächenhafte Kurzparkzonen“ in den Bezirkszentren sollen Autofahrer zum Umsteigen auf die BVG bewegen. Zum Herbst versprach Wagner eine umfassendere Parkraumkonzeption. Auf Kritik am schleppenden Tempo der Reformpolitik reagierte der Senator mit dem Hinweis auf Altlasten: „Klammheimlich“ habe der Vorgängersenat zum Beispiel die Zahl der Politessen um die Hälfte gekürzt, „obwohl die ihr Gehalt selbst verdienen“. Und die Mitarbeiter in den Behörden, die seien noch auf eine ganz andere Stadtpolitik „gepolt“.

Im Berliner Flugverkehr fallen dem Senator zwar ein „Überangebot“ und „überflüssige Konkurrenz“ ins Auge, aber auch eine steigende Nachfrage nach Flügen. Den von der Flughafengesellschaft beantragten neuen Stellplatz für Flugzeuge müsse der Senat wegen internationaler Bestimmungen womöglich genehmigen, deutete Wagner an. Den „einzigen unkontrollierten Zugang“ zur Stadt will er prinzipiell „nicht in Frage“ stellen. Ein neues Konzept, das den DDR -Flughafen Schönefeld einbezieht, sei aber bereits in Arbeit. Was davon realisiert werden könne, hänge jedoch nicht vom Senat ab. „Unsere Politik“, so Wagners Einschränkung, „kann sich nur darauf beschränken, mit den Alliierten zu reden.“ Die Millionen-Subventionen, die dem Berlin-Flugverkehr Auftrieb verschaffen, will der Senator jedenfalls nicht auf die Bahn umlenken. Die lange Reisezeit sei der entscheidende Hemmschuh für die Bahn, nicht der Preis. Das habe er „geprüft“, beschied der SPD-Politiker kritischen Zuhörer knapp.

Begriffe wie „ökologischer Stadtumbau“ gingen dem überaus pragmatisch argumentierenden Verkehrssenator nicht leicht von den Lippen. In dem Gewerkschaftsmilieu, dem der Politiker entstammt, ist das Auto halt immer noch Symbol des sozialen Aufstiegs. Daß Wagner die Kritik von Radlerverbänden am bisherigen Radwegebau seiner Behörde nicht unbesehen übernehmen wollte, sondern erst „die Streitenden an einen Tisch bringen will“, empörte manchen Initiativenvertreter. „Fahren Sie Rad?“ wurde Wagner lautstark gefragt, und der gab eine verräterische Antwort: „Ich fahre notfalls auch Rad.“ Gestern blieb ihm die Strampelei erspart: Der Dienstwagen wartete vor der Tür.

hmt

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