: Grenzen auf für Flüchtlinge
■ Die Grünen propagieren die „multikulturelle Gesellschaft“ gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit / Die BRD und die EG sollen sich ihrer Verantwortung stellen
DEBATTE
I. Das Erstarken rechtsautoritärer, rechtsextremer und neofaschistischer politischer Gruppen in der Bundesrepublik ist eine zentrale Herausforderung für alle Menschen, die eine emanzipatorische, demokratische und soziale Gesellschaft anstreben.
Nicht erst seit den Wahlerfolgen der Republikaner und der NPD in West-Berlin und Hessen gibt es in der Bundesrepublik in nennenswertem Umfang nationalistische, ausländerfeindliche und rechtsextreme politische Orientierungen. Es ist vielmehr seit Jahren bekannt, daß bis zu 15 Prozent der wahlberechtigten BundesbürgerInnen entsprechende Weltbilder und politische Einstellungen bevorzugen. (...)
Wir Grünen sagen: Gegen den Griff nach rechtsautoritären Politikmethoden hilft kein Versuch des Totschweigens oder Verdrängens. Notwendig ist vielmehr das konsequente Aufzeigen der unmenschlichen und zerstörerischen Folgen dieser Politik. Und notwendig ist das Aufzeigen besserer und als konkrete Alternative begreifbarer Wege zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme, die jetzt zum „Rutsch nach rechts“ für viele geführt haben.
Indem die Bundesregierung Panikmache vor angeblicher „Überfremdung“ betreibt, falsche Zahlen und Informationen über Flüchtlinge verbreitet und das Asylrecht aushöhlt, den EinwanderInnen jegliche Rechtsanprüche verweigert und die Rechte von EinwanderInnen immer neu zu beschneiden sucht, hat sie die Verbreitung rechtsextremer Auffassungen nicht nur bekämpft, sondern den Rassismus in diesem Punkt zur Regierungspolitik gemacht.
Die sich zunehmend verschlechternde soziale und ökonomische Lage der Bevölkerung befördert autoritäre und rechtsextreme Tendenzen, deren Ursache in den Ideologiemustern von CDU/CSU und der Umsetzung durch alle bürgerlichen Parteien in konkrete Politik besteht. Langanhaltende Massenerwerbslosigkeit und der Mangel an menschenwürdigem Wohnraum sind Folgen der Politik der Bundesregierung, die einerseits Unternehmensgewinne steigert und andererseits Arbeitnehmerrechte und soziale Absicherung systematisch demontiert. (...)
Rechtsextreme und neofaschistische Gruppierungen bieten in solchen gesellschaftlichen Krisensituationen scheinbar einfache Antworten und Lösungsstrategien: Als Sündenböcke müssen insbesondere EinwanderInnen herhalten. Zur Aufpolierung des Selbstwertgefühls dient der Nationalismus. Alle Interessenswidersprüche in der Gesellschaft werden einem scheinbar gemeinsamen nationalen Interesse untergeordnet, der Volksgemeinschaft. Wer von der Norm abweicht, wird ausgegrenzt. Schwule werden als Aids -Seuchenherde diffamiert. Gewalt und Militarismus werden beschönigt. Mit der Iedologie der Ungleichheit werden Menschen aufgrund ihrer Rasse, ihres Geschlechts und ihrer sozialen Herkunft festgelegt. Eine autoritäre, hierarchisch strukturierte Ordnung tritt an die Stelle demokratischer Entscheidungsprozesse. Die Idelogie ist undemokratisch und inhuman.
II. Die Bundesrepublik ist allen Ressentiments und deutschnationalen Bestrebungen zum Trotz längst zum Einwanderungsland geworden. Hier leben Menschen verschiedener unterschiedlicher Kulturen und Traditionen. Doch die oberflächliche Buntheit des multinationalen Alltags täuscht über zutiefst undemokratische und unsoziale Strukturen hinweg.
Immer noch leben die EinwanderInnen, noch stärker aber die Flüchtlinge, in einer Situation, in der sie von Willkürmaßnahmen - der Verweigerung des Verwandtennachzugs, der Ausweisung aus der BRD - ständig bedroht sind. (...)
Es gibt keine vom „Ausländer-“ oder „Flüchtlingsproblem“ überforderte Europäische Gemeinschaft, weder ökonomisch, noch sozial oder kulturell; was es jedoch gibt, ist die weltweite Politik der wirtschaftlichen Ausbeutung und der sozialen, politischen und militärischen Unterdrückung u.a. durch die Industrienationen der Europäischen Gemeinschaft.
Das Grundrecht auf Asyl ist für uns ein weltweites, überstaatliches Menschenrecht, das keine Grenzen kennt. (...)
Die Bundesrepublik beschneidet das Asylrecht durch immer neue bürokratische Einschränkungen und schreckt selbst vor der Diskussion über eine mögliche Änderung des Grundgesetzes nicht zurück. AussiedlerInnen, durch jarzehntelange Propaganda hergelockt, müssen nun Einschränkungen des Grundrechts auf Freizügigkeit hinnehmen. (...)
Die Grünen gehen von der Unteilbarkeit der Menschenrechte aus. Nicht Abstammung und Staatsangehörigkeit entscheiden über den Anspruch auf gesellschaftliche Teilhaberechte, sondern der Lebensmittelpunkt eines Menschen. Dort, wo er lebt, liebt, arbeitet, sein Leben plant, stehen sie ihm zu unabhängig von nationaler Zugehörigkeit. Wir streben die Verwirklichung einer multikulturellen Gesellschaft an. Unverzichtbare Voraussetzungen hierfür sind gleiche Rechte für Menschen aller Bevölkerungsgruppen, der Verzicht auf den Zwang zur kulturellen Integration und der Abbau fremdenfeindlicher Ressentiments. Gleiche Rechte bedeuten nicht die automatische Auflösung der Konflikte, die im Zusammenleben unterschiedlicher ethnischer Gruppen entstehen, aber sie sind die Voraussetzung dafür, daß gesellschaftliche Konflikte und Probleme nicht auf Kosten einer rechtlosen Minderheit ausgetragen und „gelöst“ werden.
Die Grünen setzen sich ein für:
-freien Zugang für alle Flüchtlinge in die Bundesrepublik, ob mit oder ohne Visa, um das Asylrecht in Anspruch nehmen zu können;
-die europaweite uneingeschränkte Verwirklichung des Rechts auf Asyl für alle, die vor Krieg, Bürgerkrieg, Verfolgung politischer und religiöser Gruppen oder aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung vor Folter oder vor ethnischer Unterdrückung fliehen;
-ein Bleiberecht für Flüchtlinge;
-ein Niederlassungsrecht für EinwanderInnen, die sich seit mehr als fünf Jahren in der Bundesrepublik niedergelassen haben;
-ein allgemeines Wahlrecht für EinwanderInnen, die seit mehr als fünf Jahren in der Bundesrepublik leben;
-ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der nachziehenden Eheleute, um vor allem die ca. 1,3 Millionen ausländischer Ehefrauen vor Willkürmaßnahmen zu schützen. (...)
Wir appellieren an die BürgerInnen der Bundesrepublik:
Beteiligen Sie sich an Aktionen. (...) Lassen Sie es nicht unwidersprochen, wenn in Ihrer Gegenwart ausländerfeindliche oder rechtsextreme Sprüche gemacht werden!
Arbeiten Sie mit in örtlichen Initiativen und Bündnissen für die Aufklärung über die historischen Schrecken des Nationalsozialismus! Sprechen Sie mit Ihren Bekannten, Nachbarn und KollegInnen darüber!
Tragen Sie mit dazu bei, daß ZuwanderInnen in der Bundesrepublik keine Angst mehr vor Gewalttätigkeiten und Diskriminierungen haben müssen! (...)
Setzen Sie sich für die Entwicklung einer demokratischen, multikulturellen Gesellschaft ein!
Für die praktische Arbeit der Grünen für und mit ImmigrantInnen und Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland sind folgende praktische Maßnahmen notwendig:
1. Die Landes-, Kreis- und Ortsverbände werden aufgefordert, auf kommunaler Ebene eng mit allen ausländischen und ausländisch-deutschen Organisationen und Vereinen sowie AusländerInnen-Beiräten zusammenzuarbeiten (...).
2. Die Grünen werben bei ImmigrantInnen und Flüchtlingen verstärkt um deren Mitgliedschaft bei den Grünen. (...)
Diese Resolution wurde auf der 11. Ordentlichen Bundesversammlung der Grünen am 20./21.5.89 in Münster verabschiedet.
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