: Erster Gentest am Menschen
US-Wissenschaftler übertragen artfremdes Erbgut auf Krebspatienten / „Eine neue Form der Eugenik“? ■ Aus Washington Silvia Sanides
Im ersten zugelassenen Genexperiment am Menschen haben US -Wissenschaftler am Montag fremdes Erbgut auf Krebspatienten übertragen. Der gentechnische Eingriff fand an den bundeseigenen „National Institutes of Health“ (NIH) bei Washington statt.
Das Experiment wird von KritikerInnen der modernen Gentechnologie scharf angegriffen. Behinderten- und Frauengruppen sowie Bürgerrechts- und Gesundheitsorganisationen warnen vor den sozialen und politischen Folgen von gentechnischen Eingriffen am Menschen. „Es besteht die Gefahr, daß wir es mit einer neuen Form der 'Eugenik‘ zu tun haben werden“, betonte Biotechnologiekritiker Jeremy Rifkin, der den Versuch mit einer einstweiligen Verfügung um mehrere Monate verzögerte.
Mitglieder des NIH-Ausschusses, der für die Genehmigung des Versuchs verantwortlich ist, betonen dagegen, daß es sich um einen sehr beschränkten Eingriff handelt. Die Genehmigung gilt für lediglich zehn Krebspatienten, deren Lebenserwartung nicht höher als neunzig Tage beträgt.
Bei dem Versuch wird ein Bakteriengen in bestimmte menschliche Antitumorzellen eingesetzt. Die als tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) bekannten Zellen bilden sich in der körpereigenen Abwehrreaktion gegen Tumoren. Schon heute gibt es eine Form der Krebstherapie, in der diese Reaktion verstärkt wird, indem den Patienten TIL -Zellen entnommen, im Labor vermehrt („cloned“) und dann dem Kranken wieder zugeführt werden. Warum diese Therapie nur bei manchen Patienten erfolgreich ist, will der Mediziner Steven Rosenberg mit Hilfe des gentechnischen Eingriffs erkunden. Deswegen hat er die TIL-Zellen im Reagenzglas mit dem Bakteriengen „tätowiert“. Fortsetzung auf Seite 2
Die genmanipulierten Zellen, die nun menschliches und bakterielles Erbmaterial enthalten, wurden den Patienten am Montag wieder zugeführt. Die Markierung durch das Bakteriengen ermöglicht es den Medizinern, Bewegungen und Verbleib der TIL-Zellen im Körper zu verfolgen. Das neue Wissen soll der Verfeinerung der TIL-Therapie bei zukünftigen Patienten dienen.
Die TIL-Therapie ist von schweren Nebenwirkungen begleitet und wird deshalb selbst unter Medizinern in Frage gestellt. Weiterhin beanstandeten Mitglieder des Genehmigungsausschusses, Rosenberg habe nicht genug mit Tierversuchen gearbeitet. Bereits 1980 hatten amerika
nische Mediziner in Israel ohne behördliche Genehmigung einen ähnlichen gentechnischen Eingriff am Menschen vorgenommen. Der Versuch blieb erfolglos, und die Wissenschaftler wurden wegen ihres Verhaltens scharf gerügt.
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