: Love is fish'n'chips
■ ... on a winter night in Liverpool / Ein vergnüglicher und nachdenklicher und erschreckender Poeten-Abend mit den Liverpool-Poets im Packhaus
„Was, ich darf ein Führer sein? Wirklich, ich allein? Ich werde Führer sein? Versprochen? Toll, ich werde ein Führer sein. - Was wollen jetzt eigentlich machen?„
„The Leader“, sehr frei wiedergegeben, ist ein gutes Beispiel der Gedichtvorträge der Liverpool Poets, als die Roger McGough, der Autor des „Führers“, Adrian Henri und der Gitarrist Andrew Roberts angekündigt waren. Eher kleine Geschichten rund um das Leben in Liverpool, England und der Welt trugen die aufgeräumten drei vor, als in formalistische Strukturen eingebettete Gedichte. Seit Ende der sechziger Jahre betreiben sie ihr künstlerisches Kopfwerk, haben Schallplatten besprochen, Gedichtbände veröffentlicht und an Theater-und Musicalproduktionen mitgewirkt.
Launig und kurz anmoderiert
boten Henri und McGough Unterhaltsames, Amüsantes und Nachdenkliches zu Geschehnissen und Situationen, die dem Moment entsprungen zu sein schienen. Der Sefton Park in der Metropole am River Mersey war ihnen genauso eine Betrachtung wert wie die Zeitungs-Schlagzeile: „Conservative Government Unemployment Figure“, gleichzeitig Titel und ganzer Inhalt eines Gedichtes. Adrian Henri, beleibt und mit Schelmenzügen im Gesicht, trug mal rhythmisch, mal getragen und sogar singend zur Saitenbegleitung von Andy Roberts seine Beobachtungen (Love is fish'n'chips on a winter night in Liverpool...) und Bestürzungen vor. Sein neuestes Werk war The Bell betitelt, eine melancholische Aufarbeitung der Geschehnisse im Hillsborough Stadion mit den genau 95 Glockenschlägen der
Kathedrale von Liverpool.
Grausamer und auch sprachlicher Höhepunkt war Roger McGoughs The Identification. Der schlaksige Mann im grauen Sommeranzug mit der angenehmen Stimme hatte es im Fernsehen erlebt: Ein Vater im nordirischen Belfast identifiziert nach einem Bombenattentat seinen unkenntlichen Sohn. Die blonden Haare sind dunkel verkohlt, das Gesicht zerrissen, doch das Taschenmesser - es war seins. Aber die Zigaretten in der Hosentasche können unmöglich ihm gehören, der Vater hat's verboten.
So ging nach neunzig Minuten und einer kleinen Zugabe ein vergnüglicher, nachdenklicher, erschreckender, lachhafter und auf alle Fälle unterhaltsamer Poeten-Abend zu Ende, der mehr als den dreißig ZuhörerInnen zu gönnen gewesen wäre. Jürgen Franck
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