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Kohls Museum soll auf die Schlachtbank

In Berlin tobt der Streit zwischen den rot-grünen Koalitionspartnerinnen um des Bundeskanzlers Renommiergeschenk an die Selbständige Einheit Westberlin / Unzuständiger SPD-Bausenator Wolfgang Nagel brüskiert GenossInnen wie AL  ■  Aus Berlin Gabriele Riedle

„Die Diskussion um das Deutsche Historische Museum wird im Moment geführt, wie sie ebenso um die Errichtung eines neuen Zentralschlachthofes geführt werden könnte.“ Die Berliner Alternative Liste ist sauer. Es knistert im Gebälk des jungen rot-grünen Senats, und Schuld daran ist, ausgerechnet, der Bausenator Wolfgang Nagel (SPD). Der hatte in der letzten Woche einen kühnen, weder mit seiner Fraktion noch mit der Koalitionspartnerin abgestimmten öffentlichen Vorstoß in Sachen Kuckucksei aus Bonn gemacht. So verkündete er, er wolle den von Bundeskanzler Kohl dem deutschen Volke inklusive West-Berlin „geschenkten Gaul“ (SPD -Kultursenatorin Anke Martiny) nicht an dem Ort bauen, wo Ende 1987 der sogenannte „mobile Grundstein“ gelegt wurde.

Dr. phil. Kohl hatte nämlich einst, am Fenster des Reichstags stehend, mit ausgestrecktem Arm auf eine gegenüberliegende Grillwiese gedeutet und beschlossen, hier solle dereinst sein Geschichtsmuseum entstehen, wofür er auch gerne 400 Millionen Mark Bundesmittel nach Berlin springen lassen würde. So wurde denn ein Wettbewerb ausgelobt, bei dem der Mailänder Architekt Aldo Rossi mit seinem monumentalen postmodernen „Deutschen Dom“ den ersten Preis bekam. Und nach diesem Entwurf sollte dann 1992 mit dem Riesenbau gegenüber dem vergleichsweiße winzigen Reichstag begonnen werden - wäre da nicht der Regierungswechsel in Berlin dazwischengekommen.

Nachdem es dort nach dem plötzlichen Dissens von AL und SPD in Sachen Deutsches Historisches Museum beinahe zum Abbruch der Koalitionsverhandlungen gekommen wäre, weil die SPD entgegen der ursprünglichen Wahlaussagen nun doch an diesem Projekt festhalten wollte, hatte man sich doch noch darauf geeinigt, Standort, Architektur und Konzeption des Museums zu überprüfen. Denn zwar existiert schon eine „Gründungvereinbarung“ zwischen dem Bund und dem Land. Aber: „Die Vertragsparteien sind aus dieser Vereinbarung nur nach Maßgabe der Bewilligung entsprechender Haushaltsmittel durch die gesetzgebenden Körperschaften (...) verpflichtet.“ Kein Problem also, diese Vereinbarung via Nichtratifizierung durch das Berliner Abgeordnetenhaus wieder zu kippen.

Doch während die AL-Fraktion gestern auf einer Pressekonferenz dieses Vorhaben noch einmal ausdrücklich bekräftigt hat, auf Einhaltung der Koalitionsvereinbarungen im Wortsinn besteht und nach wie vor der Meinung ist, daß Kohls Museum überflüssig ist, sehen das entscheidende Teile der SPD-Koalitionspartnerin mittlerweile ganz anders.

SPD-Kultursenatorin Anke Martiny etwa, bei der immerhin die „koordinierende Zuständigkeit“ liegt und die persönlich dem Projekt wohl eher negativ gegenübersteht, der es aber hauptsächlich darauf ankommt, „daß wir mit einer Stimme sprechen“, fügt sich geduldig den Wünschen der Bundes-SPD. Denn diese will sich wiederum in einer so wuchtigen staatspolitischen Angelegenheit offenbar nicht einfach nur als Bremserin darstellen und steht dem Projekt eher wohlwollend gegenüber. Und so verkündet auch der Genosse aus dem Berliner Bauressort: „Das Museum kommt bestimmt.“ Dabei hatte Wolfgang Nagel im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen die Zuständigkeit für den sogenannten „zentralen Bereich“ der ehemaligen Stadtmitte, die heute weitgehend Stadtbrache an der Mauer ist, an die AL-nahe Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Michaele Schreyer, abgeben müssen.

Dennoch macht der unzuständige Nagel „Zugeständnisse“: Der Bau soll um einige hundert Meter an der Mauer entlang verschoben werden und dereinst am Potsdamer Platz hinter Philharmonie und Staatsbibliothek das „Kulturforum“ bereichern. Nagel: „Der Eingangsbereich könnte ja dann auf der Alten Reichsstraße Nr.1, die von Königsberg nach Aachen führte, liegen.“

Freilich müßte man für diesen neuen Standort dann auch einen neuen Architektenwettbewerb veranstalten. Nicht eingegangen wird damit aber etwa auf das Grundsatzproblem der Konzeption eines deutschen Nationalmuseums ausgerechnet in Berlin, das schließlich nur kurze Zeit Hauptstadt war, auf das, was es bedeutet, heutzutage noch mit dem Aufbau einer neuen Sammlung zu beginnen, auf die unabsehbaren Folgekosten etwa für die Instandhaltung oder auf die Konsequenzen, die ein so großes Haus für die übrige Berliner Museenlandschaft haben könnte. Und schließlich will die AL auch noch über das hier sichtbar werdende Representationsbedürfnis des Staats diskutieren und über neue Perspektiven im Museumsbereich, also über neue Formen der Vermittlung von Geschichte nachdenken. Ganz zu schweigen von der so prekären und in Berlin statusbedingt nicht richterlich zu klärenden verfassungsrechtlichen Frage nach einer eventuellen Beeinträchtigung der Kulturhoheit der Länder durch diese Bundesunternehmung.

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