piwik no script img

Strobl-Verteidiger fordert Freispruch

Verteidigerplädoyer im Düsseldorfer 129a-Verfahren gegen die 37jährige Journalistin / Die Bundesanwaltschaft habe im gesamten Verfahren keinerlei Fakten vorgelegt / Ohne „Krücke 129a“ hätte es keine Anklage geben können  ■  Aus Düsseldorf Gitti Hentschel

Ingrid Strobl muß freigesprochen werden. Das war gestern der logische Schluß aus dem rund dreieinhalbstündigen Plädoyer der Verteidigung vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Schlüssig zerpflückten die beiden RechtsanwältInnen Hartmut Wächtler und Edith Lunnebach dabei die Argumentation der Bundesanwaltschaft (BAW), die in der vergangenen Woche sieben Jahre Gefängnis und Führungsaufsicht wegen angeblicher Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag der RZ durch einen Weckerkauf für die Journalistin gefordert hatte.

Schon die Grundvoraussetzung für jede Verurteilung, daß der von Ingrid Strobl gekaufte Wecker derselbe sei, der im Oktober 1986 bei einem RZ-Anschlag als Zündverzögerer benutzt wurde, sei „zweifelhaft und nicht mehr lückenlos rekonstruierbar“. Doch selbst unterstellt, der von der Journalistin gekaufte Wecker sei mit dem des Anschlags identisch, so der Verteidiger, „kann es zu einer Verurteilung nicht kommen“. Denn nichts habe die BAW an Fakten vorgelegt, die auf eine Mitwisserschaft von Ingrid Strobl hindeuteten. Daher werde ihre „politische Gesinnung, dokumentiert durch ihre veröffentlichten Artikel“, angeführt, die laut BAW die Tat „stimmig“ machten.

Bezogen auf seine eigene, gesellschaftskritische Haltung zu Fragen wie Ausländer- oder Asylpolitik und Ausbeutung in der Dritten Welt fragte der Anwalt dann polemisch: „Bin ich nun auch 'politisch‘ ein Angehöriger der RZ geworden, weil ich etwas ausgesprochen habe, was so und ähnlich in zahlreichen RZ-Pamphleten dargestellt wird?“

„Sehr ernst“ nahm der Verteidiger die vom Gericht, aber immer wieder in der Öffentlichkeit gestellte Frage, warum Ingrid Strobl zur eigenen Entlastung nicht den Namen von dem Bekannten X nennt, für den sie nach eigenen Angaben den Wecker gekauft hat. Abgesehen von der Frage der politischen Moral, auf die sich Ingrid Strobl hier beruft, sei Schweigen in dieser Frage sowohl „vom Standpunkt einer unschuldigen Angeklagten vernünftig“ als auch aus der Sicht der Verteidigung zu raten. Denn wäre X untergetaucht, müsse Frau Strobl gewiß das Ergebnis einer Fahndung „im Gefängnis abwarten“. Werde er gefunden, leugne aber seine Beteiligung, würde die BAW „triumphierend von einem untauglichen und besonders infamen Entlastungsversuch sprechen.“ Und selbst wenn X gestehe: „Würde man ihm“ - einem Beschuldigten „glauben, wenn er schildert, daß Frau Strobl ahnungslos war?“ Es sei „wahrscheinlicher, daß am Ende einer solchen Aussage Frau Strobl und X gemeinsam angeklagt würden“, und die Argumentation der BAW in dieser Frage sei „pure Heuchelei“.

Daß Ingrid Strobl ohne die „Krücke des Paragraphen 129a“ der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nicht hätte angeklagt werden können, legte Edith Lunnebach präzise dar. Allerdings stellte sie auch grundsätzlich in Frage, daß „die politischen Gruppen“ RZ im Sinne des Paragraphen 129a eine terroristische Vereinigung sei, und bezog sich dabei auf Berichte des Verfassungsschutzes und auf Gerichtsurteile, nach denen die RZ nicht als einheitliche Gruppe mit einer Organisation betrachtet würden. Das Schlußwort von Ingrid Strobl ist für den 5.6. vorgese hen, die Urteilsverkündung für den 6.6. A U G E N . B L I C K E Foto: Krämer / Voller Ernst FORTSETZUNG VON SEITE 1

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen