Dokumentarist der Beat-Generation

■ im Fotoforum Böttcherstraße sind ab heute 22 Uhr Bilder von Allen Ginsburg zu sehen / Eröffnung mit Live-Rezitation und -Musik

New York City, in den Vierziger Jahren. Patriotisches Highlife schwappt durch die Lüfte, ein Krieg wird gewonnen und bereinigt unter der Hand das Arbeitslosenproblem vergangener Jahre. In der Unterwelt der großen großen Stadt sammeln sich ausgemusterte Existenzen: Künstler, Drogenkuriere, Exil- Europäer und Künstler aller Art und Ernsthaftigkeit. Bebop heißt die atemlos hektische Musik, die aus dieser Situation heraus entsteht, abstrakter Expressionismus die malerische Ausdrucksform und „Beat“ nennen in der Folge die Schriftsteller, die an diese Daseinsform angekoppelt sind, ihr Lebensgefühl. Zufällig liefen sich in der brodelnden Stadt, wo sich im Nachkriegstrubel die sozialen Spannungen rapide verschärften, die Protagonisten der neuen Bewegung der amerikani

schen Literatur über den Weg. Da war der etwas ältere Großbürgersohn William Burroughs, gebildet, erfahrungshungrig, auch was Drogen angeht und schwul, was (nicht nur) im Puritanerland USA mit verschärfter Diskriminierung einerseits und Solidarisierung mit anderen Stigmatisierten andererseits bezahlt wird. Dann war da der ehemalige Handelsmatrose Jack Kerouac aus Massachusetts, der mit den New-England-Romanen Melvilles und Wolfes im Kopf und einem Football-Stipendium im Geldbeutel nach New York gekommen war und schon aus körperlicher Fitness ein Mensch der schnellen Bewegung war, die er dann später zwischen Buchdeckel klebte. Und der lernte einen jungen Mann kennen, der gerade zu studieren begann und Gedichte schrieb. Allen Ginsburg.

Gemeinsam entwickeln sie ein Konzept der Literatur, das die Offenheit, die Direktheit und Ehrlichkeit in den Mittelpunkt stellt und so versucht, die Trennung zwischen alltäglichem Leben und ihrer literarischen Arbeit aufzuheben. Wie besessen schreiben sie , halten per 'ecriture automatique‘ fest, wie sie sich bewegen und was sie bewegt, innerlich wie äußerlich und beginnen zu reisen, ständig 'on the road‘, weil nur die permanente Bewegung dem Strömen des Bewußtseins das Bett bietet, das die rigide Erfolgsgesellschaft versperrt hat. Reisen, Schreiben, Lesen, Vorlesen. Der Durchbruch kommt Mitte der Fünfziger Jahre mit der Erstverlesung von Ginsburgs Poem „Howl“ in San Francisco. Und wieder auf die Straße, raus aus diesem Land, das nun versucht, die Autoren der Beat-Generation mit Erfolg zu umgarnen, weg von den schicken Epigonen des Beat.

Alle diese Stationen hat Allen Ginsburg fotografiert, unambitioniert -nie hat er sich für einen Fotografen gehalten - hat er alle Stationen der Beatniks dokumentiert, die Szene in New York, die Reisen nach Mexiko, nach Tanger, durch Europa, legendäre Lesungen in Californien, und er hat dabei eindringliche Bilder von den Menschen fixiert, die dem Amerika der Fünfziger Jahre eine Lebens-Neugier und Intensität abtrotzten, die es keinem gewähren wollte. Sanfte Bilder von Freundschaft, Zerfall und Lebenswut sind entstanden, die anzusehen unbedingt lohnt. ste