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Frösteln vor dem Nato-Gipfel

■ Countdown für den „Gipfel der Disharmonie“ läuft / Frankfurter Friedensforscher legen „Gesamtkonzept für Fortentwicklung der Ost-West-Beziehungen“ vor / Historische Chance: „Zivilisieren der Militärbündnisse“

Berlin (wps/afp/ap/taz) - US-Präsident Bush hat sich kurz vor seinem Abflug Richtung Europa auf eine Konfrontation mit Bonn eingerichtet. In der letzten von insgesamt vier außenpolitischen Grundsatzreden vor dem Nato-Gipfel lehnte er erneut eine dritte Nullösung bei den Kurzstreckenraketen ab. Es wäre unverantwortlich, nur auf strategische Waffen zu vertrauen. Den Hauptteil der Rede widmete Bush jedoch den jüngsten sowjetischen Abrüstungsvorschlägen im konventionellen Bereich, die er erstaunlich moderat quittierte. Das Angebot „erfülle ihn mit Hoffnung“, die Sowjets müßten aber noch mehr vorlegen. Der Präsident meinte weiter, Abrüstung könne „die militärische Landschaft in Europa verändern“.

In welche Richtung, darüber besteht innerhalb der Nato keine Einigkeit. Während der Gipfel-Countdown läuft, verstärkt sich der Eindruck, daß auch Bonn an seinem Standpunkt festhält und nicht auf eine Kompromißformel zusteuert. Der SPD-Vorsitzende Vogel warnte vor einem von den USA geforderten Junktim zwischen Kurzstreckenverhandlungen und Erfolgen beim Abbau der konventionellen Rüstung. Eher solle man auf Beschlüsse beim Nato-Gipfel verzichten. Und Außenminister Genscher unterstrich im Fernsehen die Haltung Bonns, daß 1992 entschieden werden solle, ob noch ein Ersatz für Kurzstreckenraketen notwendig sei - und nicht: wann.

Das „Hessische Institut für Friedens- und Konfliktforschung“ griff am Mittwoch in die Debatte um die atomare Bewaffnung der Nato und deren Zukunft ein. Es sei an der Zeit, im 40. Jahr des Nato-Bündnisses der Sowjetunion Verhandlungen „über sämtliche taktischen Atomwaffen anzubieten“. Gleichzeitig verlangen die Friedensforscher von der Nato, angesichts der politischen Veränderungen in der UdSSR die Chance nicht zu vergeben, „aus dem Schatten des Kalten Krieges herauszutreten“ und sich für eine „wachsende Zivilisierung der Militärbündnisse“ einzusetzen.

Sie legten Vorschläge zu einem „Gesamtkonzept für die Fortentwicklung der Ost-West-Beziehungen“ vor. Neben militärischen Überlegungen enthält es vor allem die Forderung nach „dem Primat von Politik und Wirtschaft“ innerhalb der Nato. Als wirtschaftliche Initiativen der westlichen Länder zur Stärkung der Reformkräfte im Osten schlagen sie u.a. die Gründung einer „gesamteuropäischen Investitionsbank“ und ein „gesamteuropäisches Hochtechnologieprogramm“ vor. Auf politischer Ebene gebe es derzeit keine Alternative zu einem „klaren Verzicht auf Wiedervereinigungsillusionen“, damit die BRD ihre Entspannungspolitik verstärken könne, ohne in den Verdacht des „Griffs nach der Großmacht“ zu kommen.

AS

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