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Superpower für Superstar Gorbatschow

■ Der neue sowjetische Staatspräsident verliert an Konturen

KOMMENTARE

Einen Stalin dürfe es nicht mehr geben, schworen sich die sowjetischen Reformer, und nicht nur die. Mit dem Aufstieg Michail Gorbatschows zum Supermächtigen im Land ist nur eine phänomenologische Parallelität zu dem ehemaligen Diktator hergestellt. Denn niemand im sowjetischen Riesenreich würde heute ernsthaft behaupten, die neue Machtfülle für den Parteichef führte zu einem neuen „Personenkult“. Von der Redlichkeit Gorbatschows bleiben die meisten Sowjetbürger also überzeugt. Gerade für viele Reformanhänger in der Partei, die um die immer noch lebendigen „Widerstände“ gegen die Reform wissen, ist Gorbatschows Macht eine Garantie für die Unumkehrbarkeit der Perestroika. Und so stimmten sie einer auch von den Konservativen gestützten Tagesordnung des Kongresses der Volksdeputierten zu, die erst die Wahl Gorbatschows zum Staatspräsidenten und dann die Aussprache über die Inhalte der Reform beinhaltet. Andere haben allerdings genauso recht, wenn sie von einer solchen Argumentation nichts mehr wissen wollen. Wenn der Wahl nicht die politischen Auseinandersetzungen vorausgehen, so zum Beispiel Sacharow, entwertet sich der Volksdeputiertenkongreß als künftig höchstes Staatsorgan von vornherein selbst. Die Würde der Institution sei wichtiger als die Koppelung der Macht an Personen, seien sie noch so glaubwürdig.

Und sicherlich treffen auch diejenigen einen empfindlichen Nerv, die den grundsätzlichen Widerspruch von Gorbatschows Machtzuwachs und der Perestroika beseitigen möchten. Denn für sie ist die Perestroika das Versprechen, die staatliche Macht zu dezentralisieren, sie auf viele Schultern zu verteilen und sie von „unten“ kontrollieren zu lassen.

War ein starker Gorbatschow nötig, solange die Reform aus seinem Kopf von „oben“ kam, sind ihr heute schon „unten“ Beine zugewachsen, mit der sie Tag für Tag besser laufen lernt - bis in das Ziel, an dem Gorbatschows Wille nicht mehr nötig ist. Das zeigen jetzt schon die offene Atmosphäre auf dem Deputiertenkongreß, die Wahlergebnisse sowie die Demonstrationen auf dem Puschkin-Platz. Die Argumentation für einen „starken“ Gorbatschow beginnt zu veralten. Je weiter der neue Staatspräsident im neuen politischen Koordinatensystem der Sowjetunion ins Zentrum rückt, je mehr er die Fraktionen auszugleichen sucht, desto deutlicher wird, daß seine Machtfülle zu einem Hemmschuh für die weitere Entwicklung der Perestroika werden kann. An seiner Supermacht droht Gorbis Superstern zu verblassen.

Erich Rathfelder

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