Kirchentagskonflikt um Contra-Freunde

Eine Podiumsdiskussion mit der stramm anti-kommunistischen Menschenrechtsorganisation IGFM sorgt im Vorfeld des Kirchentages für Streit / Offener Brief von Lateinamerika-Gruppe fordert klare Absage / IGFM auch auf dem „Markt der Möglichkeiten“ nicht gern gesehen  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Wenn am 7.Juni in Berlin der 23.Deutsche Evangelische Kichentag seine Tore öffnet, wartet ein dicker Konflikt schon draußen vor der Tür. Seit Monaten schon streitet man in Kirchentagskreisen um die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme der stramm rechten, von hohen CDU/CSU-Kreisen protegierten „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM).

Am 10.Juni, zur besten Veranstaltungszeit, soll die IGFM zusammen mit der ebenfalls umstrittenen Organisation „Christen für Partnerschaft statt Gewalt“ auf einer eigens für sie arrangierten Podiumsdiskussion im Hauptzelt des Kirchentages zu Wort kommen. „Menschenrechte sind unteilbar“ wird das Motto heißen. Daß ausgerechnet diese beiden Organisationen dazu referieren, ist eine Provokation insbesondere für die zahlreichen Gruppen und Kirchenkreise, die sich seit Jahren in Nicaragua, Lateinamerika und Südafrika engagieren.

In den letzten Jahren hat sich die IGFM insbesondere mit Publikationen zu „Menschenrechtsverletzungen“ der sandinistischen Regierung profiliert. Als die Organisation 1985 in Berlin zu diesem ihrem Lieblingsthema eine Ausstellung eröffnete, durfte der damalige Contra-Chef, Arturo Cruz, eine Begrüßungsrede halten. An einem Geheimtreffen der Contra in Madrid soll auch ein Vertreter der IGFM teilgenommen haben. Zudem hat die IGFM in ihren Publikationen einen prominenten Besucher des Kirchentages, den nicaraguanischen Innenminister Tomas Borge, als „Mörder“ bezeichnen lassen.

Der Konflikt auf dem Kirchentag ist daher vorprogrammiert. Er hat eine lange Vorgeschichte: Schon auf dem letzten Kirchentag 1987 in Frankfurt sorgte die Teilnahme der IGFM für heftige, teilweise handgreifliche Auseinandersetzungen. Der Konflikt um den Stand der IGFM hatte den sogenannten „Markt der Möglichkeiten“ dominiert. Dieser bietet traditionell mehreren hundert verschiedenen Gruppen ein Forum der Selbstdarstellung und Diskussion und ist eine der zentralen Einrichtungen des Kichentages. Um sich dieses Mal Probleme vom Hals und die Polizei aus dem Haus zu halten, hatte das Präsidium des Kichentages im September letzten Jahres die IGFM vom „Markt der Möglichkeiten“ ausgeschlossen. Eine Teilnahme würde zu Konflikten führen, die „kirchentagsgemäß“ nicht gelöst werden könnten, heißt es in der Entscheidung der Kirchenoberen. Die Absage an die IGFM sei jedoch „ein methodisch-didaktischer Beschluß, kein theologischer und politischer“.

Als Kompensation für die Ausbootung aus dem „Markt der Möglichkeiten“ bot ihnen der Kirchentag überdies die nun umstrittene Diskussion um die „unteilbaren Menschenrechte“ an. Das Publikum darf sich nach den Redebeiträgen der PodiumsteinehmerInnen unter anderem über zwei sogenannte „Anwälte des Publikums“ zu Wort melden. Einer dieser Fürsprecher des Publikums wird ausgerechnet der CSU -Bundestagsabgeordnete Peter Höffkes sein der die ursprünglich vorgesehene, eher kritische Journalistin Giesela Albrecht ersetzt. Daß diese Umbesetzung unter dem Druck der IGFM geschehen sei, bestreiten die Vorbereiter des Kirchentages. Briefwechsel allerdings belegen, daß die IGFM zumindest verbal gegen Frau Albrecht als Gegenanwältin protestiert hatte.

Heftig Sturm gelaufen war die IGFM zuvor schon gegen ihre Verbannung vom „Markt der Möglichkeiten“. Die Organisation mit einflußreicher Lobby, die auf ihren Jahresmitgliederversammlungen mit Grußworten von Helmut Kohl und Geldern aus dem Entwicklungshilfeministerium rechnen kann, hatte im Herbst schon zu einer Kampagne gegen ihren Ausschluß aufgerufen. Kirchentagspräsident Simon wurde mit Protestbriefen eingedeckt, und Mitglieder der IGFM zogen mit Transparenten und Sprechchören gegen den Vorsitzenden der EKD, Martin Kruse, zu Felde.

Protest kommt jetzt vor allem von der anderen Seite. Ein breites Spektrum von Nicaragua-Solidaritätsgruppen, Dritte -Welt-Initiativen, Grünen-Bundestagsabgeordneten und Antifa -Gruppen quer durch die Republik fordert in einem offenen Brief die Leitung des Evangelischen Kirchentages auf, die IGFM auch von Podiumsdiskussionen auszuladen. Die Diskussionsveranstaltung sei eine Aufwertung der IGFM und „ein Zugeständnis an die rechtsradikale Lobby, die hinter der IGFM steckt“, heißt es in dem offenen Brief. „Es kann nicht angehen, daß gerade der Kirchentag rechtsextremen Strömungen das Forum bietet, die Menschenrechte für ihre politischen Zielvorstellungen zu funktionalisieren.“