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CUBANISCHER BEBOP

■ „A Night In Havana“ mit Dizzy Gillespie

Filme über Musiker sind meist langweilig, haben eine schlechte Tonqualität und dienen doch nur der Legendenbildung. In letzter Zeit häufen sich die Traktate speziell über Jazzmusiker, meist tote. Das begann mit „Round Midnight“, wo der romantisch verklärte Fan im Paris der Fünfziger stundenlang im Regen vor einem Club auf „seinen“ Star wartet, um ihn zum Bier einzuladen. Dann folgten im letzten Jahr gleich zwei Streifen über Charlie Parker, alias Bird. In Clint Eastwoods Version vom traurigen Drogenschicksal mit Saxophonbegleitung bläst Bird sich tief in seine Seele hinab und über seine Wangen kullern Tränen, wenn er spielt. Das klingt schrecklich, aber der Film ist wunderschön.

Nun hat es wieder einen Jazzer erwischt, der noch nicht einmal tot ist. Das erspart die aufwendige Suche nach einem schauspielernden Double, denn Dizzy Gillespie „spielt“ sich selbst. „A Night In Havana“ ist weder die penetrant detailgetreue Ablichtung eines Konzerts in Kuba, noch ein Film mit gekünstelter Hollywoodstory. Produzent einiger Szenen könnte vielmehr das kubanische Staatsfernsehen sein, das mit revolutionärer Emphase den Besuch des Jazzers beim Comandante dokumentiert. Gillespie vermerkt dabei stolz, Castro selbst habe ihn eingeladen und in einem seiner drei Arbeitszimmer empfangen. Seine Kommentare zum Geschehen sind glücklicherweise nicht dem in Deutschland immer noch herrschenden Übersetzungswahn zum Opfer gefallen, sondern nur deutsch untertitelt. Die Visite in seiner früheren Heimat verband der Trompeter mit den Froschbacken natürlich mit ein paar Konzerten. Beispielsweise zusammen mit einem der wohl besten lateinamerikanischen Trompeter, Arturo Sandoval.

Das Sympathische an Gillespie ist eine unkomplizierte, humorvolle Erzählweise in den Interviews, in denen er Anekdoten zum Besten gibt wie die folgende: Von einer NBC -Fernsehfrieda nach der Quelle seiner musikalischen Kraft befragt, antwortet er ihr, die Blasenergie käme vom Arschloch, weil man jenes zusammenkneifen müsse, um wiederum das Zwerchfell anzuspannen. Genüßlich lachend erzählt er solche Geschichtchen. Ansonsten scheint er jede Antwort exakt abzuwägen, die Sätze, oft mit ironischem Unterton, kommen ihm nur langsam über die Lippen. Mit der Trompete ist er schneller als mit der Zunge.

Der inzwischen 71jährige erzählt vom Zusammenspiel mit Charlie Parker und Thelonious Monk, nach deren Erfolg Ende der Fünfziger irgendwelche Neidhammel sie gegeneinander aufhetzen wollten. Jemand erzählte Dizzy, Bird habe behauptet, als erster den BeBop erfunden zu haben: „Na und, dann hat er ihn eben erfunden.“

Das eigentliche Wunder an Gillespie ist wahrscheinlich, daß er immer noch lebt, und das auch noch von seiner Musik. Er ist weder sichtbar drogensüchtig, noch depressiv, sondern einfach erfolgreich. Sein konservierter Bop mag nicht gerade besonders zeitgerecht oder aufregend sein, aber der Mann hat es verstanden, die Früchte einer über dreißig Jahre dauernden Entwicklung zu ernten, an der er nicht ganz unbeteiligt war. Andere sind dabei auf der Strecke geblieben, nie reich oder glücklich geworden, sie sind gestorben und direkt dorthin gefallen, wo sie ihr halbes Leben verbracht haben, in den Rinnstein der Musikgeschichte. Denn Musiker, und gerade die Schwarzen unter ihnen, gehören besonders in den USA immer noch zu einer wenig beneidenswerten Spezies, die meist weder von ihrem Ruhm, noch von dem damit zu verdienenden Geld leben können. Dizzy Gillespie stellt eine glückliche Ausnahme dar.

Andreas Becker

„A Night In Havana“, Regie John Holland, im Delphi, täglich um 23.30 Uhr.

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