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Gebremster Witz

■ „Vatanyolu - Die Heimreise“, eine mißlungene Komödie

„Ich wollte euch wie Weinblätter in der Dose konservieren“, stellte das türkische Familienoberhaupt Yusuf Koc resignierend fest. Doch seine Tochter Selvi, die einen Deutschen geheiratet hat, und die beiden Söhne Ömer und Temel sind Stadtmenschen geworden. Temel (Yavuz Kalan), der Ältere, möchte in Frankfurt seine Gärtnerlehre beenden, und der kleine videobesessene Ömer (Baris Cetinkaya) kann sich nichts Schöneres vorstellen, als nach Rambo-Land auszuwandern. Glücklicherweise hat wenigstens die Ehefrau (Füsun Sen) im wilden Westen keinen Schaden genommen. Sie bereitet ohne zu Murren die (Rück-)Fahrt in die Türkei vor, um ihrem Mann beim Erfüllen des Traums vom eigenen Lebensmittelladen zur Seite zu stehen.

Die Abfindungsprämie der Firma in der Tasche, den Wagen vollgestopft bis an den Rand, sammelt Yusuf nach einigem Hin und Her seine Familie (ohne die abtrünnige Tochter) ein und fährt los. Eine Abkürzung durch den deutschen Wald beendet die Fahrt jedoch bald wieder. Die Achse ist gebrochen, und es muß erst einmal kampiert werden.

Obwohl die Idee der beiden in Deutschland lebenden türkischen Regisseure Enis Günay und Rasim Konyar über die Identitätskrise der emigrierten Landsleute nicht zu Tränen rühren zu wollen, sehr erfrischend ist, schafft es ihr Low -Budget-Film leider nicht so recht, wirklich komisch zu werden. Oft wird der Witz durch zwanghaft ernste Sätze („Wo gehören wir eigentlich hin?“, „Alles, was ihr braucht, ist Hoffnung“ - „Was ist das?“) gebremst. Yaman Okay, der den Vater spielt und epileptisch zitternd schauspielerische Höchstleistungen bringt (seinen letzten Anfall hatte er in „40 qm Deutschland“), durfte diesmal nur verhalten toben.

Die groteske Verfolgungsjagd im Frankfurter Botanischen Garten, bei der das Familienoberhaupt den flüchtenden Sohn zur Raison bringt, ist in dem Film die einzige wirklich witzige Szene. Von dem Spaß, den die Darsteller offensichtlich hatten, hätte sicher mehr herübergebracht werden können.

Vielleicht haben sich die beiden Filmemacher zu sehr von Muammer Özers „Bir Avuc Cennet“ leiten lassen. Der auf den 22. Filmfestspielenvon Antalya preisgekrönte Beitrag, 1986 im Schwarzmeerpanorama der Berliner Filmfestspiele gezeigt, handelt von einer Familie, die aus einem türkischen Dorf nach Istanbul emigriert und sich dort gezwungenermaßen in einem alten Bus niederläßt. Özer hatte in seinem Film ebenfalls versucht, die goldene Mitte zwischen Komik und Ernst zu finden, und damit dem Streifen die Aussagekraft genommen. Constanze Suh

Vatanyolu - Die Heimreise

Buch und Regie: Enis Günay, Rasim Konyar; Kamera: Egon Werdin; mit Yaman Okay, Füsun Sen, Yavuz Kalan, Baris Cetinkaya, Jale Arikan, Yalcin Güzelce, Hans Hamacher. BRD 1988, 94 Minuten.

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