piwik no script img

Plötzlicher Plötzentod

■ Fischsterben im Landwehrkanal / Gewitter brachte erneut die Kanalisation zum Überlaufen und schwemmte Abwasser in die Kanäle

Das Gewitter am Mittwoch abend mag den Durst der Straßenbäume gestillt haben, vielen Fischen im Landwehrkanal brachte es den Erstickungstod. 80 Kilogramm tote Plötzen und Bleie zog das Fischereiamt gestern an der Unterschleuse in Tiergarten aus dem Wasser. Im Neuköllner Schiffahrtskanal in der Höhe der Lohmühlenbrücke, waren es etwa 100 kleine Barsche, die tot in den Netzen landeten und jetzt zu Seife verarbeitet oder als Sondermüll verbrannt werden. Bereits am Mittwoch hatte die Senatsumweltverwaltung ein Schiff mit einer Sauerstoffpumpe auf den Landwehrkanal geschickt. Gestern ging am Lohmühlenbad eine weitere Anreicherungsanlage in Betrieb. Die Situation habe sich gestern bereits verbessert, sagte der Sprecher der Umweltbehörde, Kundt.

Die Hitze der letzten Wochen hatte den Sauerstoffgehalt bereits bedrohlich reduziert. Sowohl ein verstärktes Algenwachstum als auch Wassertemperaturen bis zu 25 Grad trugen dazu bei. Der Regen schwemmte dann Schmutzwasser aus der sogenannten Mischwasserkanalisation in die Gewässer. Wie mehrfach berichtet, gibt es in der Innenstadt keine getrennten Abwasserkanäle für Schmutzwasser und Regenwasser. Bei starken Regenfällen läuft die Brühe immer wieder über und in die Oberflächengewässer. Obwohl dieses System seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit für ein sommerliches Fischsterben sorgt, geht der Bau von unterirdischen Überlaufbecken, die das Abwasser zurückhalten, nur schleppend voran. Das Ausbauprogramm für den Landwehrkanal wird erst 1995 abgeschlossen sein. Für 63,5 Millionen Mark sollen bis dahin noch fünf unterirdische Becken an der Gitschinerstraße, der Grimmstraße, am Blücherplatz, der Wildenbruchstraße und der Sonnenallee fertiggestellt werden. Sprecher Kundt von der Umweltbehörde hatte gestern zunächst erklärt, „Regenfälle im Spreewald“ in der DDR hätten Dreck von drüben nach West-Berlin geschwemmt und damit den Fischtod verursacht. Der Leiter des Fischereiamtes, Ulrich Grosch, berichtete gestern dagegen, man habe „massenhaft Toilettenpapier und frische Damenbinden“ in den Schleppnetzen gefunden - typische „Leitstoffe“, die dann im Kanal auftauchen, wenn die West-Berliner Abwasserrohre mal wieder überlaufen.

Hmt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen