Proteste auch in Chinas Provinzen

■ Blockierte Eisenbahnschienen, Barrikaden und Demonstrationen Staatliche Medien: „Unruhestifter und Räuberbanden“

Peking/Berlin (ap/dpa/wps) - In zahlreichen chinesischen Städten kam es in den letzten Tagen zu Massendemonstrationen, Eisenbahnblockaden, Streiks und Zusammenstößen mit der Armee. Verläßliche Angaben über das Ausmaß von Opfern und Zerstörungen im Land waren nur schwer erhältlich. In den offiziellen Medien war in diesem Zusammenhang von „Räuberbanden“, „Unruhestiftern“ oder „verbrecherischen Aktivitäten“ die Rede.

In Chinas wichtigster Industriestadt Schanghai war das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt. Auch am Mittwoch wurden wieder Barrikaden in den Straßen aufgebaut, nachdem am Vortag ein Zug in eine Gruppe von Demonstranten gerast war, die versucht hatten, die Gleise zu blockieren. Dabei wurden sechs Personen getötet, der Zug wurde anschließend von wütenden Arbeitern angegriffen und in Brand gesetzt.

Während es in Schanghai und anderen Städten die Studenten waren, die Demonstrationen organisierten und Ansprachen hielten, waren es mehrheitlich frustrierte junge Arbeiter, die Autos anzündeten, Soldaten mit Steinen bewarfen und in Einzelfällen Geschäfte plünderten.

Die Situation in der Nordprovinz Heilongjiang wurde am Mittwoch von offizieller Seite als „außergewöhnlich ernst“ bezeichnet. Wie in anderen Landesteilen auch kam es dort zu Panikkäufen, und Straßensperren brachten den öffentlichen Verkehr zum Erliegen. Ein Bewohner aus Shenyang im Nordosten berichtete, viele Arbeiter hätten sich an Protesten beteiligt, als Studenten mit Lautsprechern in ein Industieviertel fuhren, wo eine Augenzeugin über das Massaker auf dem Tiananmen-Platz berichtete. In Changchun, ebenfalls im Nordosten gelegen, hätten rund 40.000 Menschen gegen die Regierung demonstriert. Der Bürgermeister von Changchun, Shang Zehnling, warnte, wenn es so weitergehe, werde die Wirtschaft total lahmgelegt. Ein schottischer Student berichtete aus Xian, dort hätten am Mittwoch Zehntausende von Demonstranten gegen die Führung protestiert und die Einfallstraßen in die Stadt mit Barrikaden blockiert, weil Gerüchte über einen bevorstehenden Militäreinsatz kursierten. Auch in vielen anderen Städten, darunter Nanjing oder Lanzhou, kam es offenbar zu weiteren Protestaktionen.

Nach chinesischen Rundfunkberichten werden zunehmend Eisenbahnlinien blockiert. Der Staatsrat verbreitete eine Anweisung, nach der alle zuständigen Behörden sowie die Sicherheitsämter und die bewaffnete Polizei für die Aufrechterhaltung des Einsenbahnverkehrs sorgen sollten.

bs