: Hamburger Sozi-Filz will ran an Hafenjuwel in der Speicherstadt
Ehemalige SPD-Amtsträger wollen an der historischen Speicherstadt einen kanadischen Multi ansiedeln / Strategiepapier von Dohnanyi-Zögling sorgt für seltene Koalition in der Hansestadt ■ Aus Hamburg Axel Kintzinger
Am Ende einer eher belanglosen Pressekonferenz tauchte völlig überraschend Hamburgs SPD-Regierungschef Henning Voscherau am Dienstag vergangener Woche auf und präsentierte einen der größten Ansiedelungserfolge der letzten Jahre. Der kanadische Riesenkonzern Edper Group/The Royal Trust wolle sich am Hafenrand ansiedeln. Ein „Millionenprojekt, hoch dreistellig“, so die Ankündigung Voscheraus, solle am Hafenrand entstehen. Ort des Projektes: Die Kehrwiederspitze, unbebauter Teil der historischen Speicherstadt, um die es bereits im vergangenen Jahr viel Wirbel gegeben hatte. Denn: Der damalige Senat unter Klaus von Dohnanyi hatte einen Grundsatzbeschluß verabschiedet, wonach das von allen Hamburgern geliebte Hafenjuwel im hannoversch-neugotischen Baustil, wo Gewürze, Kaffee, Tee und vor allem Teppiche umgeschlagen werden, zum Spekulationsobjekt freigegeben werden sollte.
Den darauffolgenden Ärger hatte Dohnanyi-Nachfolger Voscherau jetzt im Kopf und betonte, das historische Viertel werde von der Royal-Trust-Ansiedelung „nicht angetastet“. Doch dann flatterte der Hamburger taz-Redaktion am Wochenende ein Dossier ins Haus, das nach seiner Veröffentlichung für Aufruhr bei den Oppositionsparteien CDU und GAL sowie bei Quartiersleuten und Handelsfirmen in der Speicherstadt sorgte. Thomas Mirow, früher Sprecher von Dohnanyi und heute Berater von SPD, dem Hamburger Senat und privaten Unternehmen, hatte eine „Kommunikationsstrategie“ für die Durchsetzung der Royal-Trust-Pläne verfaßt, die es in sich hat. Auftraggeber: Royal Trust. Mirow schildert facettenreich, wie Hansestadt und Unternehmen vorgehen sollten, um eine Verbindung zur Umstrukturierung der Speicherstadt nicht entstehen zu lassen. Zu den zahlreichen Tips gehört auch die „Nachbearbeitung“ und „besondere Betreuung“ von ausgewählten, namentlich benannten Journalisten vor allem der Springer-Presse und des NDR -Fernsehens. Die Folge der taz-Story: Was Mirow verhindern wollte, trat ein, die ganze Stadt diskutierte nun erst recht darüber, ob mit der Royal-Trust-Ansiedelung ein erster Schritt zur Umstrukturierung der Speicherstadt vorgenommen wird.
In den Deal sind eine Reihe von früheren Spitzen -Sozialdemokraten verstrickt. In vorderster Front neben Mirow steht dabei der ehemalige Justizsenator Frank Dahrendorf, der über frühere Skandale gestürzt war und nun als Anwalt in der Kanzlei von Gerd Weiland arbeitet - der grauen Eminenz in der Hamburger SPD. Dahrendorf vertritt nun auch Royal Trust.
Über Dahrendorf ist das Dossier zu Voscherau gelangt, und der hielt sich exakt an die Vorgaben. Vernebelnde Formulierungen Mirows tauchten wortgetreu in Voscheraus Erklärung wieder auf. Senatsberater Mirow beteuert nun, in dieser Angelegenheit ausschließlich Royal Trust zu beraten: „Mit Senatsmitgliedern habe ich bis zur taz-Veröffentlichung nicht darüber gesprochen.“ Der sozialdemokratische Apparat funktioniert bislang reibungslos. Auch die Fraktion spielt mit und verhindert eine Diskussion über dieses Thema im Landesparlament - „sie macht sich damit zum Komplizen der Durchzock-Politik des Senates“, kommentiert die GAL -Politikerin Anja Kuhr dieses Verhalten.
Gestern nun gingen Mirow und Royal Trust in die Offensive, informierten die Öffentlichkeit mit einer Multi-Media-Show über die Pläne. Immer wieder kam die Versicherung: Mit der Speicherstadt habe das Engagement nichts zu tun, „wir konzentrieren uns nur auf die Kehrwiederspitze“. Die heutigen Nutzer der Speicherstadt und die Opposition schenken dem jedoch keinen Glauben. Immerhin sind in den letzten Tagen vermehrt geheime Papiere etwa aus der Wirtschaftsbehörde aufgetaucht, in denen Maßnahmen nahe der Speicherstadt explizit in Zusammenhang mit der Umstrukturierung stehen. „Schrittweise vorgehen“ empfiehlt etwa ein Gutachten der städtischen Lagergesellschaft HHLA, und: Mit der Kehrwiederspitze solle angefangen werden. Royal -Trust-Chef Hartland M. Macdougall schloß denn auch nicht aus, daß sein Unternehmen sich in einigen Jahren auch für Gebäude und Terrain in der Speicherstadt interessieren könnte.
Horst Krüger, Vorsitzender des Vereins der Quartierleute, kündigte erbitterten Widerstand gegen alle Pläne zur Umstrukturierung der Speicherstadt an. Kein Wunder: Die Firmen brauchen dieses Terrain, sie schreiben allesamt schwarze Zahlen. Auf rund 340.000 Quadratmetern Lagerfläche arbeiten 3.000 Menschen. „Niemand hat etwas gegen die Ansiedelung von Royal Trust“, sagt Horst Krüger, „aber nicht unter diesen Vorzeichen.“ Die GAL geht noch weiter: „Nicht neben der Speicherstadt.“
Traditionsbeladene Unternehmen, Denkmalschützer, CDU und GAL - der Senat hat es geschafft, eine seltene Koalition gegen sich aufzubringen.
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