: Erlösung und Sinnsuche
■ Mit „Feuer und Schwert“ wurde der Reinkarnationsgedanke im Christentum ausgerottet Nach Jahrhunderten erst wird der Verlust schmerzlich bemerkt
„Warum interessieren sich heute so viele Menschen für östliche Religionen?“ kommt interessiert und besorgt die Frage aus dem Publikum. Für Arthur Haarbeck, Bischof der lippischen Landeskirche und Vorsitzender der deutschen Bibelgesellschaft, ist die Antwort einfach: „Weil wir den Menschen nicht mehr vorleben, wie befreiend es ist, ein Christ zu sein!“
So einfach, erkennen viele Christen angesichts gähnend leerer Gottesdienste, können sie es sich nicht machen. Deshalb wurde auf dem Kirchentag zum Teil der Dialog mit den östlichen Religionen Buddhismus und Hinduismus gesucht. „Inkarnation und Reinkarnation“ - der Glaube von der Wiedergeburt der Seele nach dem Tod in einem anderen Körper war das Thema, das einen Hindu, einen Buddhisten und zwei Christen auf einem Podium zusammenführte.
„Reinkarnation ist nicht nur die Idee des Ostens, sondern auch des Christentums. Daß wir das heute nicht mehr wissen, ist ein Resultat der Gewaltgeschichte der Kirche.“ Mit ungewöhnlichen Thesen überraschte Edmund Weber, Professor für Eirenik (christliche Lehre vom Frieden) in Frankfurt. Die Gemeinschaft der Katterer, so Weber, habe im Mittelalter die Lehre der Reinkarnation vertreten - bis sie von der römischen Kirche als Ketzer verfolgt und vernichtet worden sei. „Mit Feuer und Schwert wurde der Reinkarnationsgedanke im Christentum ausgerottet.“
Aber Edmund Weber, der es als seine Aufgabe betrachtet, „Frieden zu stiften zwischen den Religionen“, und deshalb seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog steht, hat auch eine plausible Antwort, warum gerade heute der Glaube an Reinkarnation im Westen an Boden gewinnt: Der moderne westliche Mensch versuche, das Glück in seinem Leben durch seinen Leib zu verwirklichen. Dies gelinge ihm nur höchst unvollständig, deshalb wolle er wiedergeboren werden. In einem neuen Leib hoffe er, auf Erden dann seine eigentliche Existenz zu finden.
Wird die Lehre von der Reinkarnation der Seele von westlichen Menschen also verhunzt, weil sie einfach nicht genug kriegen können und mehrere Lebzeiten „konsumieren“ wollen? Der tibetische buddhistische Gelehrte Geshe Thubten Ngawang und der Hindu Tilak Raj Chopra aus Indien stellten unmißverständlich klar, daß die Wiedergeburtslehre so nicht gemeint sei. Nach ihrem Glauben ist es Ziel des Lebens, nicht mehr wiedergeboren zu werden, erlöst zu werden vom Rad der Wiedergeburt.
„Was die Diskussionsteilnehmer sagen, höre ich mit Interesse, aber ich frage mich auch: 'Was geht mich das an als Christ?'“ Arthur Haarbeck ist bibelfest und weiß: „Reinkarnation gibt es weder im Alten noch im Neuen Testament.“ Deshalb ist für ihn das Gespräch über Reinkarnation im eigentlichen Sinne kein Thema, denn „entscheidend ist, daß ich in Christus bin. Was nach dem Tod sein wird, liegt in Gottes Händen, ich muß mich darüber nicht fürchten. Das ist christlicher Glaube“.
Da lächelt der tibetische Mönch Geshe Thubten Ngawang sein weises, schelmisches Lächeln, und sagt: „Vertrauen in die Religion ist wichtig. Aber man braucht auch gute Argumente, wenn man sich so anvertraut.“ Bricht dann in ein kurzes, kindlich-fröhliches Kichern aus und zeigt allen in der Halle, wie befreiend es sein kann, ein Buddhist zu sein.
Gunhild Schöller
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