Rigaer Tage in Bremen

■ Lettische Avantgarde-Kunst und eine Performance gegen das „schöne Pathos“

„Bisher hat schönes Pathos vorgeherrscht“ in den Beziehungen zwischen Bremen und Riga, erklärte die Präsidentin des Künstlerverbandes der Lettischen SSR, Dzemma Skulme, zu der Ausstellung „Lettische Avantgarde“ in der Weserburg, die heute abend (20 Uhr) förmlich eröffnet werden soll. Es stehe ein „Bruch“ an: „Wir hoffen, daß auch ihr euch in einer sich verändernden Welt befindet.“ In drei Etagen der Weserburg zeigen lettische Künstler, was sich bei ihnen bewegt: Materialstudien, computergesteuerte Ton-Installationen, Malerei, Fotografie, Persiflagen, die sich mit der lettischen Kunsttradition oder auch der Politik auseinandersetzen, Video-Produktionen. Diese Formen moderner Kunst haben sich in Riga in den letzten Jahren im Zuge der Perestroika völlig neu entwickelt, anfangs ganz privat. Und dieser Aufbruch sei „ein großes Ereignis im Kulturleben Lettlands“, erklärt der Künstler Hardijs Ledinsch. Die in West

berlin erstmals gezeigte Ausstellung soll die Öffnung der sowjetischen Politik zum Anlaß nehmen und ein Szenarium aktueller Kunst zeigen - jenseits von sozialistischem Realismus und „handgestrickter“ Volkskunst.

Das „Kunsthandwerk“ der Rigaer Tage ist ins Kaufhaus Horten gezogen, die „Lettische Malerei“ unter der Schirmherrschaft der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft in den Hanseatenhof, die Folkloregruppe in das Landhaus Horn - die Weserburg gehört ganz der „Lettischen Avantgarde“. Heute nachmittag um 17 Uhr werden die lettischen Künstler vors Rathaus ziehen: die Gruppe „Werkstatt zur Restauration nie empfundener Gefühle“ will eine Performance „Bronze-Menschen“ zeigen. Das habe etwas mit dem Gold zu tun, das 1945 aus Riga nach Moskau in den Kreml geschafft wurde, erklärt einer der Künstler. Für Hardijs Ledinsch, Begründer der „Werkstatt“, gibt es andere Assoziationen: „Die

fünf Menschen aus Gold betteln. Der Künstler bettelt immer. Die Sowjetunion bettelt im Westen, derzeit.“

Die Performance, die zeitgleich in Riga stattfindet, hat auch eine persönliche Seite. „Wir als Bürger der Sowjetunion können im Jahr nur 200 Rubel tauschen - egal ob wir einmal fahren im Jahre oder öfter. Wenn wir einige D-Mark bekommen, hat das auch eine praktische Seite.“

Die „Werkstatt“ will in der dritten Etage der Weserburg die „nie empfundenen Gefühle“ restaurieren - für jede neugierige BesucherIn ganz indivi duell.

Für Liebhaber traditioneller Kunst-Darbietungen gibt es im Rahmen der Rigaer Tage auch einige Termine: heute ab 18 Uhr die feierliche Eröffnung im Rathaus mit „musikalischer Umrahmung“ und Reden. Am Donnerstag abend z.B. findet in der Oberen Ratshaushalle ein Konzert mit dem Kammerchor „Senais Kalns“ statt, im Kleinen Olymp spielt die Jazz-Band „Retro“. Und am Samstag (11 Uhr) wird in Mahndorf die Wandmalerei vorgestellt, die lettische Künstler in den letzten vier Wochen am Bürgerhaus angebracht haben.

K.W.