piwik no script img

„Polizeilicher Notstand“ gegen DVU

■ Polizei überlegt: Rechtsradikale Versammlung mit Frey im Freien wegen „Gefahr für Sicherheit und Ordnung“ verbieten?

Am Samstag will der Vorsitzende der „Deutschen Volksunion“ (DVU) erstmals in Bremen öffentlich reden. Mittlerweile entwickelt sich das Gerangel um einen Veranstaltungsort, so der Leiter der Bremer Versammlungsbehörde, Hans-Jörg Wilkens, zum „Krimi“.

Den Kampf um die Bremer Stadthalle hat die rechtsextreme „Deutsche Volksunion“ (DVU) aller Wahrscheinlichkeit nach heute mit der Urteilsverkündung des Landgerichts verloren. Offen ist aber noch immer, ob die DVU-AnhängerInnen sich am Samstag um 13 Uhr auf dem „Marktplatz oder einem anderen innerstädtischen Platz“ um ihren Vorsitzenden Gerhard Frey scharen dürfen. Das Stadt-und Polizeiamt will heute über die DVU-Kundgebung unter freiem Himmel entscheiden. Nach dem Versammlungsgesetz müssen Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen rechtzeitig angemeldet werden, unterliegen aber nicht der „Genehmigungspflicht“. Das Stadt-und Polizeiamt hat aber die Möglichkeit, Auflagen zu erteilen oder gar ein Verbot auszusprechen - wenn die „öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist“. Nun haben inzwischen auch zwölf verschiedene antifaschistische Parteien, Initiativen und Organisationen fristgerecht für Samstag Kundgebungen auf allen wichti

gen innerstädtischen Plätzen angemeldet haben. Es sei seine Aufgabe, so Wilkens gestern zur taz, „Platz-und Zeitkonflikte zwischen den verschiedenen Anmeldern zu klären und einen Interessensausgleich zu versuchen.“ Sobald das Urteil des Landgerichts verkündet sei, werde er heute die Beteiligten zu einer „Besprechungsrunde“ bitten. Ein Verbot der DVU-Kundgebung, so Wilkens, käme nur im Falle eines „polizeilichen Notstands“ in Betracht. Und „polizeilicher Notstand“ ist, wenn die Polizei sich nicht in der Lage sieht, „gewalttätige Auseinandersetzungen“ zwischen den konträren Veranstaltungen zu verhindern. Wilkens erwartet hierzu einen Bericht der Schutzpolizei, die schließlich das Ganze im Zweifelsfall „durchfechten“ müsse. Den letzten „polizeilichen Notstand“ und eine „polizeilich nicht lösbare Konfliktlage“ hatte das Bremer Stadt-und Polizeiamt vor zehn Jahren erklärt - und eine NPD-Veranstaltung auf dem Marktplatz verboten. Damals hatten Gewerkschaften eine Gegendemonstration angemeldet und die NPD war noch im Eilverfahren vors Verwaltungsgericht gezogen, dort aber unterlegen. Die neofaschistische Kundgebung fand nicht statt.

Peter Gerber, im Stadt-und Polizeiamt zuständig für die Ein

sätze der Schutzpolizei, erklärte, die Polizei müsse sich personell darauf vorbereiten, präsent zu sein. „Wir müssen Einheiten zusammenholen. Es kann sein, daß wir da etwas mehr zusammenziehen.“ Aus anderen Städten lägen reihenweise Erfahrungen vor, daß mit „Schwierigkeiten“ zu rechnen sei, da die Zahl der Gegendemonstranten höher sei als die der DVU -Anhänger. „Wir geben Wilkens die Unterlagen und müssen besprechen, ob das ausreicht für ein Verbot.“

Bremer AntifaschistInnen ru

fen nunmehr dazu auf, sich am Samstag um 11 Uhr mit Fahrrädern vor der Stadthalle zu versammeln. Der „antifaschistische Fahrradkorso“ soll über Bremens diverse öffentliche Plätze führen und auch inhaltlich etwas bieten, z.B. zur Geschichte des hiesigen Widerstands. Auf allen öffentlichen Plätzen, vom Delme-Markt in der Neustadt bis zum Ansgarikirchhof in der Innenstadt, wollen AntifaschistInnen Gegenveranstaltungen durchführen. Volker Homburg (VVN): „Wenn wir so viele Gegenkräfte

mobilisieren, müßte es dem Innensenator möglich sein, die Kundgebung dieser neofaschistisch-rassistischen Organisation zu verbieten. Wir gehen davon aus, daß durch die Zahl der Teilnehmer an dem Fahrradkorso die DVU-Kundgebung eine Provokation wäre.“ Und Rainer Moitz (BremerInnen gegen Neofaschismus): „Wir wollen der DVU keinen Platz in dieser Stadt einräumen. Formale Gründe für ein Verbot müßten sich finden lassen. Der Stadthalle sind ja auch genügend eingefallen.“

bd

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen