: Tiriac auf Tiriac
Der Guru der Tennisbälle sattelt um auf Pferdeäpfel / Jeder Scheiß‘ läßt sich vermarkten ■ Vom Pferd Bernd Müllender
Reitersleut haben sich seit jeher mit großem Erfolg den Stallgeruch des Versnobten und bedingungslos Erzkonservativen aufgebaut. Wie es ist, ist es gut, Hafer wird nie zu Weizen und solange ein Wassergraben naß ist, wird kaum ein Deister, da mag er noch so klapprig werden, auf einem vierbeinigen Schockemöhle den Parcours betreten. Immer noch hören Rösser, wie vergangene Woche beim Reiterchampionat CHIO in Aachen zu bestaunen, auf so seltsam altbackene Namen wie Wotan, Wallenstein, Schiwago, Marquis oder Prinzregent.
Herumhüpfende Rotröcke auf Chianti oder auf einem Pirol, einem Pinguin oder gar einem Lampion gelten schon als nachgerade anstößig witzig. Ein Pferdchen love me tender zu nennen, hätte zu Elvis‘ Zeiten noch zum Ausschluß aus der Springer-Standesvertretung geführt.
Jetzt kommt gar ein dee jay daher, einer sitzt auf Fleet Wood Mac, einer auf dirty dancing, und gar auf the freak, der sicher einmal ein besonders häßliches, langschweifiges oder ausschweifiges Fohlen war. Jedenfalls scheint Musik Trumpf zu sein im Sattel.
Doch es gibt auch einen Trend, der uns näher zum eigentlichen Thema hinführen mag. Man kassiert im Namen des Pferdes und reitet Coca Cola Wendy, besteigt werbewirksam den prickelnden Moet et Chandon, daß nebenan im VIP-Zelt die Korken nur so knallen. Und einer dreht allen Ernstes seine Dressur-Pirouetten auf Rendezvous Spielothek. Märkte tun sich auf, Sponsoren wollen mithöppeln - da darf einer nicht fehlen: Ion Tiriac.
Der transsylvanische Schnauzbartschurke ließ Anfang vergangener Woche sein Kommen in Aachen avisieren. Das besorgte ihm sein Geschäftsfreund Paul Schockemöhle, mit dem er zusammen im September in Bremen die fettgesponserten „german classics“, ein neues Hallenreitturnier mit lockeren zwei Millionen Investitionsvolumen organisiert. Dort will Tiriac reichlich Show zur Springerei dazumischen, er glaubt, den Pferdemenschen werde zu wenig geboten.
Und dann kam er am Sonntag grimmig heranstolziert und huschte passenderweise auf die Teilnehmertribüne. Die wenigen, die seinen Auftritt mitverfolgen durften, reckten ihre Hälse, als sei Winklers Halla wiederauferstanden. Paul Schockemöhle, der Welt größter Pferdehändler, plazierte sich in permanentem Palaver gleich neben seinen neuen Co. und erklärte ihm vieles. Das war nötig, hatte Tiriac doch vorher beteuert, er wisse von Pferdchen „kaum mehr, als daß sie vier Beine haben“.
Der Vermarktungsguru tat sehr beeindruckt und apostrophierte Aachens Turnier höflich als „das Wimbledon der Reiter“, das er „toll und einmalig“ fand. Zufrieden stellte der Finsterling fest, daß es bei einem Reitturnier weniger um jene vierfach behufte Spezies geht, sondern mehr um eine riesige Freß-, Sauf- und Verkaufsmesse vom Alleredelsten, für ein entsprechendend Portemonnaie-potentes Publikum auf zwei Stöckel- oder Lackschuhen.
Allerdings muß auch Tiriac aufgefallen sein, daß so ein Freiluft-Reitstadion einen Centre Court an Größe um ein Mehrfaches übersteigt: Wo will er da seine Showeinlagen plazieren, ohne jedem ein Opernglas schenken zu müssen?
Doch Möglichkeiten bleiben. Sloothaak auf Mercedes, Klimke auf Klosterfrau und Neckermanns Jupp (soeben kreislaufkollabiert in der Klinik) wird reanimiert auf Kaufhof ins Dressurquadrat geschoben, exklusiv und live in RTLplus. Tiriac (setzt) auf Tiriac. Hindernisse werden nur noch in Form von Litfaßsäulen aufgestellt, und der Borismacher selbst kommt als Neptun mit Reklame-Sandwich aus dem Wassergraben.
Das Fernsehen wird, wie beim Davis Cup, gezwungen, stundenlang zu übertragen oder eben ausgeschlossen, und Aachen wird jedesmal für eine Woche in Aachen-Münchner umgetauft. Der Versicherungsgigant hatte gemeinsam mit dem Aachener Rennverein im vergangenen Jahr schon für clevere Ansätze gesorgt.
Man kassierte 80.000 Mark Steuergelder für den werbenden Namen „Großer Preis der Stadt Aachen“ (Sieger am Sonntag: ein Walzerkönig), sahnte beim Versicherer noch mal 135.000 Märker ab, gab dem Gehopse gleich zwei Namen, und verbuddelte die städtischen Preisgelder bestimmungswidrig für eine neue Kanalisation.
Solch ein Deal könnte es gewesen sein, der einen Tiriac auf neue Ideen gebracht hat. Er will jetzt bessere Trickvorschläge einreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen