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„Sie leiden unter einer Mars-Dissonanz“

■ Die Astrologin Elisabeth Teissier und der Astronom Joachim Herrmann diskutierten in der Urania über Astrologie

„Sie leiden unter einer Mars-Dissonanz“, schmetterte Elisabeth Teissier ihrem Kontrahenten auf dem Höhepunkt der Diskussion entgegen. (Mars steht in der Astrologie für Aggressivität.) Dabei hatte die Veranstaltung, die vor kurzem in der Urania vor rund 300 Zuhörern stattfand, durchaus sachlich begonnen. „Europas berühmteste Astrologin“, so ihre Vorstellung durch Urania-Direktor Dr. Gerhard Ebel, mußte sich dabei mit einem Kenner der astrologischen Szene auseinandersetzen: Joachim Herrmann, Leiter der Volkssternwarte Recklinghausen, hat sich mit seinen Büchern über den Glauben an Astrologie einen Namen gemacht. Beide hatten zunächst Gelegenheit, in Kurzvorträgen ihre Standpunkte zu erläutern. Teissier beschrieb in ihrem Vortrag die Geschichte der Astrologie: Der Glaube an die Sterne hatte seinen gemeinsamen Ursprung mit der Astronomie, der physikalischen Erforschung des Weltalls, vor rund 5.000 Jahren in Babylonien. Über die arabische Halbinsel kam sie während des Mittelalters nach Mitteleuropa. Bis ins 17. Jahrhundert wurde Astrologie an den Universitäten gleichrangig neben den Naturwissenschaften gelehrt: erst im Zeitalter der Aufklärung verschwand sie aus dem Fächerkanon. Schließlich führte die Astrologie Beispiele an, in denen Horoskope mit Charakter und Lebenslauf eines Menschen übereinstimmten. Dabei beanspruchte sie für die Astrologie den Status einer „Erfahrungswissenschaft“, die sie in eine Reihe mit der Psychologie und der Medizin stellte. Das Publikum in den ersten zehn Reihen, die durchgängig von Rentnern besetzt waren, spendete ihren Ausführungen stürmischen Beifall.

Der Astronom Joachim Herrmann konterte in seinem Vortrag geschickt, indem er grundsätzliche kosmische Einflüsse auf die Erde nicht ausschließen wollte. Doch diese Beziehungen, wie beispielsweise die Auswirkungen von Mond und Sonnenaktivität auf die Erde, wären physikalisch nachweisbar. Frau Teissier verlor während des Vortrags ihr charmantes Lächeln, als der Astronom einige Schwachstellen im Gedankengebäude der Astrologie aufdeckte. Als Beispiel nannte er den sonnenfernsten Planeten (d.h. erdähnlichen Himmelskörper) Pluto, der erst 1930 entdeckt worden ist. In der Astrologie steht der Plant für Zerstörung, Krieg und Untergang (Pluto ist in der griechischen Mythologie der Wächter der Unterwelt); Herrmann fragte nun, wie die Astrologen sofort nach der Entdeckung des Planeten von dessen negativen Auswirkungen gewußt haben könnten, zumal die Namensgebung rein zufällig wäre. Als Joachim Herrmann die Beispiele, die Frau Teissier angeführt hatte, mit dem statistischen Zufall erklärte, knabberte sie schon an ihren Fingernägeln. Jedes weitere Argument Herrmanns quittierte sie mit einem schnippischen „Pah“.

In der anschließenden Diskussion hatte eigentlich Dr. Ebel die Gesprächsleitung übernehmen wollen - es blieb bei dem frommen Wunsch, denn Madame Teissier ließ weder ihn noch Herrmann zu Wort kommen. Die Sterne waren ihr an diesem Abend gar nicht wohlgesonnen: Die Argumente des Astronomen konnte sie nicht entkräften, so daß die Astrologin Zitate berühmter Astronomen wie Einstein und Johannes Kepler vortrug, die beweisen sollten, daß selbst Physiker an Astrologie glaubten. Joachim Herrmann gelang es nicht, diesen Zitaten mit Gegenbeweisen zu widersprechen.

Die Diskussion entwickelte sich zu einer Personalityshow der Astrologin, die ihren Gesprächspartner am Ende noch beleidigte („Es gibt in Deutschland offensichtlich zu viele schlechte Astronomen!“) und das persönliche Horoskop vorlesen wollte. Frau Teissier brüstete sich damit, Tschernobyl und den Regierungswechsel in der Bundesrepublik 1982 vorausgesagt zu haben; aber auf die Frage aus dem Publikum, wann denn die nächste Katastrophe anstünde, konnte sie nicht antworten. Gegen Ende des Abends kam es zu tumultartigen Szenen, als Senioren aus der Glaubensgemeinde der Teissier Joachim Herrmann erregt beschimpften, und der PR-Berater der Astrologin in den Raum rief: „Sie sind eine Schande für die deutsche Wissenschaft, Herr Herrmann!“ Dr. Ebel brach die Veranstaltung ab, weil die Stimmung im Saal immer aggressiver wurde.

Den besten Beweis gegen die Astrologie brachte Frau Teissier ungewollt selbst: Obwohl sie ständig für ihr neues Buch geworben hatte (Astrologie - die Wiederkehr einer Wissenschaft), kaufte es nach der Diskussion fast niemand. Hätte nicht ein selbsterstelltes Horoskop für ihr Buch einen günstigeren Zeitpunkt für die Veröffentlichung nennen können?

Jürgen Scheunemann

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