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Teure Kurse, billige Lehrkräfte

■ MitarbeiterInnen der Inlingua-Sprachschule drohen mit Streik / Bislang ohne Tarifvertrag / Deutschunterricht für Aussiedler findet in überfüllten Klassen statt

Die Adresse ist exklusiv, die Arbeitsbedingungen sind das Gegenteil: Aus Protest gegen die niedrigen Löhne und einen unnachgiebigen Arbeitgeber traten Lehrer und Lehrerinnen der Inlingua-Sprachschule am Kudamm am Montag in einen Warnstreik und kündigten weitere Aktionen an.

Seit einem Jahr versucht der Inlingua-Betriebsrat bei der Geschäftsleitung der Schule Tarifverhandlungen durchzusetzen - ohne Erfolg. Nachdem sich die GEW eingeschaltet hatte, wurde nach monatelangem Tauziehen ein erster Gesprächstermin für den 16. Juni vereinbart. Im Gegenzug hatte die GEW zugesichert, im Mai auf Arbeitskampfmaßnahmen zu verzichten. Zwei Tage zuvor ließ die Geschäftsleitung den Termin platzen. Man wolle „aus grundsätzlichen Erwägungen“ überhaupt keinen Tarifvertrag, ließ der Anwalt von Inlingua in einem Schreiben mitteilen.

Betriebsrat Peter Lutschak und die GEW vermuten, daß zwischen den den zahlreichen Inlingua-Sprachschulen im Bundesgebiet und in West-Berlin die Absprache besteht, generell keine Tarifverträge zuzulassen und die Schulen „gewerkschaftsfrei“ zu halten.

Bislang sind weder Urlaubsanspruch und Weihnachtsgeld noch Berechnunsgformeln für die Löhne tariflich festgelegt. Die Bezahlung liegt nach Angaben der GEW deutlich unter den Löhnen in anderen Sprachschulen. „Die SprachlehrerInnen verdienen hier durchschnittlich 17 Mark brutto die Stunde“, sagt Inlingua-Betriebsrat Lutschak. „Das heißt, wir sind auf Zweitjobs angewiesen, um überhaupt über die Runden zu kommen.“

Die Inlingua-Sprachschule profitiert seit über einem Jahr von Deutschkursen für AussiedlerInnen, die das Arbeitsamt finanziert. Nach Angaben des Landesarbeitsamts wurden die Beiträge pro Kurs und Aussiedler seit dem 1. Januar deutlich angehoben. Laut Inlingua-Betriebsrat zahlt die Behörde rund 4.000 Mark pro Kurs und Teilnehmer. „Wir wollen mehr Qualität in die Kurse reinbringen“, erklärte der zuständige Referent im Landesarbeitsamt Horst Witzel.

Davon ist nach Ansicht der SprachlehrerInnen allerdings nichts zu spüren. „In den Klassen sitzen zwischen 25 und 29 SchülerInnen“, kritisiert Lutschak. Über die Arbeitsbedingungen habe man auch das Landesarbeitsamt Berlin informiert, denn entsprechend einer Direktive der Bundesanstalt für Arbeit sollen sich private Träger von Berufs- und Umschulungsmaßnahmen nicht „tarifwidrig“ verhalten.

Auf einer Betriebsversammlung wollen die SprachlehrerInnen heute per Urabstimmung über weitere Aktionen entscheiden. Die GEW hat den Inhaber der Schule, einen Schweizer Geschäftsmann, aufgefordert, umgehend Tarifverhandlungen aufzunehmen, und eine Frist bis Freitag gesetzt. „Sonst wird gestreikt!“

anb

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