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Die ersten drei Monate: Erziehen ohne Geld

■ Bonner Erziehungsgeld gibt's in Bremen frühestens drei Monate nach der Geburt des Kindes / Amt für soziale Dienste völlig überlastet

Eine Schwangerschaft dauert - unabhängig von dem Bundesland, in dem sie ausgetragen wird - gewöhnlich neun Monate. Daran schließt sich - allerdings nur in Bremen - eine weitere Phase an, und die dauert in der Regel drei Monate: Das ist die Phase, in der die Mütter und Väter ohne behördliche Überweisungen finanziell über die Runden kommen müssen. In diesen drei Monaten fehlt ihnen besonders schmerzlich das von der früheren Familienministerin Rita Süßmuth eingeführte Erziehungsgeld in Höhe von immerhin 600 Mark.

Letzteres wird inklusive der Geburtsurkunde meist wenige Tage nach der Geburt bei der „Erziehungsgeldkasse“ beantragt, und sollte spätestens 14 Tage nach Antragstellung überwiesen sein.

Bei Frauen, die Anspruch auf acht Wochen Mutterschaftsgeld haben, ist mit dem Erziehungsgeld nach der 8. Woche zu rechnen. In Bremen ist dies, wie angedeutet, alles anders. Barbara K.: „Am 10. März hab ich mein Kind gekriegt. Die erste Schwierigkeit war, herauszufinden, wo die Erziehungsgeldkasse überhaupt ist.“ Ihre Krankenkasse, zuständig für das Mutterschaftsgeld, schickte sie zum Arbeitsamt. Doch vom Arbeitsamt ist diese Kasse seit dem 1.1.89 auf ein anderes Amt übergegangen. Nur auf welches, das wußten auch die MitarbeiterInnen auf dem Arbeitsamt nicht zu sagen. Für ihren Antrag, so fand Barbara K. schließlich heraus, waren ab 1.1. die Sozialen Dienste zuständig: „Im Mai hätte ich das erste Mal die 600 Mark bekommen müssen.

Ich hab da angerufen, ob vielleicht eine Bescheinigung fehlt. Nein, eine Bearbeitungszeit von drei Monaten wäre ganz normal.“ Als sie den Vorgesetzten der Sachbearbeiterin sprechen wollte, riet die ihr, sich bei Sozialsenator Henning Scherf zu beschweren.

Gitta W. bekam einen ähnlichen Bescheid. Nur daß bei ihr gestern auf den Tag genau die drei Monate Bremer Bearbeitungszeit erreicht waren, ohne daß aber Geld auf ihrem Konto zu sehen war. Ihr Sachbearbeiter bat um weitere zehn Tage Geduld.

Bei den zuständigen SachbearbeiterInnen klingeln die Telefone bereits seit Januar heiß. Nicht nur, daß sich das Amt für Soziale Dienste verwaltungstechnisch nicht auf seine neue Aufgabe vor

bereitet hatte. Sondern vor allem, weil der Senat der Erziehungsgeld-Crew nur 3 1/2 Stellen zugestehen wollte, stapeln sich die Antragsberge. Ein arbeitskraftsparendes Datenverarbeitungssystem war zudem vergeblich erwartet worden. Das amtsinterne „Motzen“, wie sich eine Amts -Mitarbeiterin ausdrückte, führte schließlich dazu, daß aus anderen Behörden zwei Zusatzkräfte abgezogen wurden. Macht seit letzte Woche nunmehr 5 1/2 Stellen für's Erziehungsgeld.

Doch auch damit sind die Rückstände nicht aufzuholen. Sachgebietsleiter Hartung hat jetzt nochmal zwei Stellen beantragt: „Wir halten das nicht vertretbar, daß die Frauen kein Geld bekommen. Die Rückfragen der Frauen blockieren die Leitungen

machmal stundenlang. Und das dauert eine ganze Zeit, bis man denen die Zusammenhänge klar macht.“

Heiß laufen die Telefone auch beim Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Dessen Vorsitzender Jens Schröter: „Wir sind deshalb ziemlich überlastet. Aber wir können kein Geld verteilen.“ Falls das Erziehungsgeld auch nach drei Monaten nicht ausgezahlt werde, gebe es auch die Möglichkeit, Versäumnisklage einzureichen: „Aber wenn das viele machen, ist auch das Gericht überlastet. - Es ist eine Unmöglichkeit, daß Gelder, die aus Bonn kommen, nicht rechtzeitig beim Bremer Bürger ankommen.“

Barbara K., die eingangs zi

tierte frische Mutter, wartet nicht nur auf Erziehungsgeld. Sie kennt noch mehr so „nette kleine Probleme“. Erstens die monatlichen 100 Mark Kindergeld, die mindestens vier Monate bearbeitet werden müssen. Zweitens die „Erstausstattungs -Beihilfe“ von der „Senatskommission für das Personalwesen“, die drei Monate zum Bearbeiten braucht. Und drittens den Steuerfreibetrag in Höhe von 440 Mark monatlich für den Kindesvater, den das Finanzamt monatelang nicht gewähren werden konnte, weil das Standesamt es versäumt hatte, dem Jugendamt förmlich die Geburt eines nicht-ehelichen Kindes zu melden. Barbara K.: „Das Kind ist drei Monate alt und noch kein Pfennig von irgendeiner Stelle. - Aber sonst geht's uns gut.“

Barbara Debus

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