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Pillen, Pulver und Placebos

■ Fehlende Möglichkeiten, Arzneimittel-Reklame in Bremen wirksam zu kontrollieren

Der Glaube kann Berge versetzen. Daß der Glaube auch Durchblutungsstörungen behebt, den Darm entknotet, den Stoffwechsel in geordnete Bahnen bringt und Schlaf wie Potenz zu aller Zufriedenheit kuriert, darauf hoffen viele Arzneimittelhersteller. Insbesondere diejenigen unter den Pharmaproduzenten, die eigentlich nichts anderes als Lebensmittel auf den Markt bringen, sie aber der Verkaufsförderung wegen mit Indikationen von Arzneimitteln deklarieren.

Aus Tageszeitungen oder Apothekenschaufenstern springen dem Betrachter die Glücksversprechungen entgegen: „Schweden -Pollen stärken die Blase“, „Hopfen holt den Schlaf herbei“, „Pflanzen-Hormone für den Busen“. Angepriesen werden Vitamin -E-Kapseln, die das Gedächtnis auffrischen oder Knoblauch -Dragees gegen frühe Alterserscheinungen und Arterienverkalkung. Eine Flut an Arzneimittelreklame ergießt sich übers Land,

die Gesundheitsbehörde, für die Kontrolle zuständig, kommt mit der Umsetzung des „Heilmittelwerbegesetzes“ kaum nach.

Das Arzneimittelrecht, dessen Sicherheitsphilosophie beispielhaft wäre für manch andere gesellschaftliche Bereiche, gibt den Regierungspräsidien und obersten Landesbehörden ausreichend Mittel zur Hand, gegen unlautere Reklame einzuschreiten. So ist „irreführende Werbung“ untersagt, für alle Heilsversprechen müssen die therapeutischen bzw. pharmakologischen Wirkungen nachzuweisen sein. Daß das aber längst nicht so einfach ist, bestätigt das Bremer Ein-Mann-Fahndungskommando Brausen aus der Gesundheitsbehörde. Am Beispiel des Präparats „Glutiagil“, dem in einer Funkwerbung bei Radio Bremen nachgesagt wurde, es verbessere die Merkfähigkeit und steigere das Lernvermögen der Kinder, wird deutlich, wie langwierig solche Kontrollverfahren oft sind. Brau

sen erstattete gegen den Hersteller Strafanzeige beim Amtsgericht Bremen, ließ ein Gutachten anfertigen, das untermauerte, wie unseriös der Reklametext verfaßt war, und übergab dies der Staatsanwaltschaft. „Die generelle Erfahrung“, so Brausen, aber ist „daß die Staatsanwaltschaft sich sehr schwer tut mit Anklageerhebungen. Es wird sehr leicht gesagt, kann man da nicht das Verfahren einstellen.“ Im Falle Glutiagil kam es zur Anklage, nachdem das Gegengutachten des Herstellers gegengegengutachtlich entkräftet werden konnte. Eineinhalb Jahre dauern diese Verfahren Brausens Einschätzung nach.

Mittlerweile scheinen manche Pharmaproduzenten, die sich in der Grauzone von Lebens-, Heil-und Arzneimitteln bewegen, derartige Verfahrenskosten und Bußgeldbescheide von vornherein einzukalkulieren. Allzuoft handeln sich sich keine Anzeigen ein, dazu sind die Kontrollbehörden viel zu dünn besetzt. Etwa 150 bis 18o Stellen existieren bundesweit bei den Überwachungsbehörden. Viel zu wenige, wie das Bremer Beispiel beweist. Die „ganz üblen Bereiche„(Brausen) bleiben so in aller Regel von Kontrolle verschont. Dazu zählen vor allem die Kaffefahrten. Rheumadecken sind hier der Markenschlager. Als Decken mit Magnetstreifen werden sie angepriesen, die dem Körper biomagnetische Energie zuführen und damit die Durchblutung aktivieren. Für 700 bis 800 Mark werden sie verkauft. Der Einkaufspreis: circa 70 Mark. Wohlweislich werden bei diesen Verkaufsfahrten alle produktbeschreibungen, die unter die Arzneimittelreklameverordnungen fallen würden, nur mündlich gemacht. „Ein behördlicher Zugriff“, sagt Brausen, „ist da kaum möglich.

anh

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