Investitionsklima gestört - Rückzug unerwünscht

■ Internationales Nachdenken über Wirtschaftssanktionen gegen China: Bundesdeutsche Unternehmen gegen Boykott Auch Ex-US-Präsident Richard Nixon gegen Wirtschaftsblockade: Er warnt vor „Vorherrschaft“ der UdSSR in Asien

Washington/Hongkong (dpa/afp/taz) - Die Rechnung der chinesischen Führung scheint aufzugehen. Wer China verlasse, werde durch seine Konkurrenten ersetzt, hatte der stellvertretende Ministerpräsident Tian Jiyun am Freitag die Unternehmen westlicher Industrieländer mit eigener Weisheit belehrt. Die Wirtschaft der Bundesrepublik denkt denn auch nach Worten des künftigen Präsidenten des Bundesverbandes der Industrie Heinrich Weiss gar nicht an einen China -Boykott. „Wenn wir uns aus China zurückziehen, dann machen die Japaner, die Amerikaner oder sogar die Russen das Geschäft“, präzisierte Weiss, Chef des seit Jahren im Osthandel tätigen Großanlagen-konzerns SMS Schloemann-Siemag AG und Leiter des Arbeitskreises China im Bundesverband, gegenüber dem Nachrichtenmagazin 'Spiegel‘. Gegen den von der Bundesregierung verfügten Stopp der Entwicklungshilfe für China hatte Weiss nichts einzuwenden. „Wir aber vertreten die Wirtschaft und nicht die Politik.“ Allerdings sei das Investitionsklima so nachhaltig gestört, daß deutsche Firmenleitungen sicherlich nicht in der nächsten Zeit Kapital nach China bringen werden.

Die Türen offenhalten will auch Bischof Martin Kruse, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, und zwar auf wirtschaftlichem, politischem, kulturellem und auch kirchlichem Gebiet. Wichtig sei es jetzt, für die Menschenrechte einzutreten und ihre schweren Verletzungen nicht unter den Tisch zu kehren, schrieb Kruse im 'Berliner Sonntagsblatt‘.

Einen härteren Kurs steuert indessen der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Jürgen Warnke. Nach einer entsprechenden Entschließung aller vier Fraktionen des Bundestages am vergangenen Freitag kündigte er an, daß mit China keine neuen Verträge mehr abgeschlossen und neue Entwicklungsvorhaben zunächst zurückgestellt werden. Laufende Projekte, die unmittelbar der Bevölkerung zugute kommen, werden weitergeführt.

„Wenn wir uns wieder über die Große Mauer zurückziehen, dann werden wir überhaupt nicht mehr gehört, und der Traum des chinesischen Volkes von mehr Demokratie und einem besseren Leben wird fast mit Sicherheit sterben“, schrieb Nixon, der als US-Präsident 1972 die Normalisierung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China eingeleitet hatte, in einer Hongkonger Wochenzeitung. „Niemand, der China kennt, sollte erstaunt sein, daß seine Führung zur Gewalt greift, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Sie hat vor dem Massaker auf dem Tiananmen schon viel schlimmere Dinge getan.“ Nixon warnte davor, Asien der militärischen Vorherrschaft der Sowjetunion und der wirtschaftlichen Hegomonie Japans auszuliefern. Ganz im Sinne dieser Doktrin kooperieren der chinesische und der US -Geheimdienst laut einem Bericht der 'Washington Post‘ vom Sonntag bei der Überwachung sowjetischer Atomtests einträchtig weiter. Nach wie vor pendelten Lastwagen zwischen zwei von Amerikanern im Westen der Volksrepublik erbauten Meßstationen und der US-Botschaft in Peking.

sl