: „Großreinemachen“ oder Urschrei?
DKP-Erneuerer planen Kongreß für Ende September/ „Wir sind bisher nur eine Negativkoalition„/ DKP-Präsidium maßregelt 'UZ'-Redakteur wegen Zensurvorwurfes ■ Aus Köln Walter Jakobs
„Wenn wir so weiter machen, geht es in Richtung Spaltung. Aber“, so fährt die DKP-Genossin aus Köln fort, „wir brauchen nicht zwei komische Figuren.“ Diese Anspielung auf Ralf Dahrendorf, der davon gesprochen hat, daß Revolutionäre in einer nichtrevolutionären Situation leicht zu komischen Figuren geraten, verdeutlicht den Grad der Verunsicherung, der bei den DKP-Erneuerern herrscht. Während die meisten von ihnen auf eine „Erneuerung“ der DKP hinarbeiten, sind andere gar nicht mehr so sicher 'ob es „überhaupt eine Kommunistische Partei sein muß“. Der am Samstag in Köln von etwa 200 AktivistInnen beschlossene Kongreß verspricht eine spannende Veranstaltung zu werden. Erst dann wird auch klarer, wer mit wem zu welchem Zwecke überhaupt künftig Politik machen will. Bisher existiert, darin sind sich so ziemlich alle einig, lediglich ein „Negativkoalition“. Eine Genossin wörtlich: „Vielleicht wäre es wichtiger, statt eines Konkresses ein tiefenpsychologisches Seminar mit Urschrei-Therapie zu machen, damit die ganze Kotze endlich mal rauskommt.“
Dazu wird es wohl nicht kommen. Zwar soll der Kongress auch einen „Beitrag zum Dialog der Linken“, zur allgemeinen „Marxismusdiskussion“ liefern, und es geht den Organisatoren um die Arbeit an einer „grundlegenden Erneuerung in Theorie, Politik und Organisation“, doch die Entwicklung innerhalb der DKP schwebt über allem. Viele haben den Kampf um die Partei längst aufgegeben, sind ausgetreten. Während in der Jugendorganisation SDAJ die Spaltung quasi vollzogen - wenn auch noch nicht beschlossen - ist, geht es den DKP -Erneuerern darum, diesen Abgang an kritischen Köpfen zu stoppen.
Auch der DKP-Vorstand tagte am Wochenende. Bis zum Redaktionsschluß war nicht klar, ob es zur Einberufung eines Sonderparteitages gekommen ist. Das Drängen danach fand im Vorfeld der PV-Sitzung ausgerechnet bei der Betonköpfen im Vorstand Unterstützung. Sie wollen den Parteitag, weil sie glauben, noch über eine Mehrheit für ein „Großreinemachen“ zu verfügen, so ein Genosse aus München.
Unterdessen geht der Kampf in der DKP-Zeitung 'Unsere Zeit‘ ('UZ‘) weiter. Das DKP-Präsidium hat am 20.6. einstimmig den 'UZ'-Chefredakteur Conrad Schuhler unterstützt und beschlossen, daß dem Chefredakteur eine Zusammenarbeit mit dem Leiter der Wirtschaftsredaktion, Peter Bubenberger, nicht mehr zuzumuten sei. Bubenberger hatte in einem WDR -Interview auf die Frage „Wer zensiert, ist das die Chefredaktion oder der Parteivorstand“, geantwortet: „Beide zusammen, würde ich sagen. Es geht über den Weg der Chefredaktion und in Abstimmung mit der Mehrheit des Präsidiums des Parteivorstandes.“ So schmiß die Chefredaktion einen Bericht über ein Neuerertreffen ersatzlos raus, zensierte in einem Bericht über den Parteitag der KP Chiles eine Stalinismuskritik und sorgte dafür, daß eine Reihe von kritischen Stellungnahmen zu Erklärungen des Präsidiums (13.5.) nach der 5. Vorstandssitzung nie erschienen. Was mit dem gemaßregelten Redaktionsleiter Bubenberger nun geschieht, ist offen. Eine Kündigung, da sind sich kritische 'UZ'-Redakteure sicher, könne die Parteiführung bestimmt nicht duchsetzen. Immerhin haben 20 der etwa 40köpfigen Redaktion, den Aufruf zum Erneuerungskongreß unterschrieben.
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