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KONTAKTFUNKER UND SCHAUMSCHLÄGER

■ Sechste Fortsetzung der „Referenzen“ in der Galerie Karo

Hans-Jörg Taucherts „Kontaktcafe“ ist nichts für den melancholischen Kunstkonsumenten, der es in der Stille zwischen sich und dem Kunstobjekt göttlich rauschen hören will. Im „Kontaktcafe“ muß man selbst ran. Auf weißgedeckten Tischen warten ausgeweidete Fernsehgeräte; zu zweit nimmt man davor und dahinter Platz, wählt ein Thema und beginnt den Kontakt. Doch sorgt auch der schwarzgestrichene Rahmen für ungewohnte Konzentration und Abschirmung gegen Störungen, so ist doch das geistige Funkensprühen zwecks Erfüllung der vom Künstler in medienkritischer Pädagogik implizierten Handlungsanweisung nicht gleich jedermanns Sache. Stummes Beglotzen des Gegenübers ist zwar durchaus möglich, verrät aber den gewöhnlichen Fernseh-Seher in Passivität, während der kommunikationsbewußte Nahseher in Aktivität gefordert wird. Allerdings fragt sich der manchmal einsam seine Geräte bewachende Künstler, warum die Leute anscheinend lieber ihre Zeit in der Kneipe gegenüber vertrödeln, anstatt den „direkten Austausch“ via „Kontaktcafe“ in der Galerie zu pflegen. Die sechs Künstlerinnen in der Gruppe aber suchten den Kontakt und erwiesen ihre „Referenzen“ an Tauchert in ihren Arbeiten.

Wohl wissend, daß die Geheimnisse der Küchentechnik unerschöpflichen Gesprächsstoff bieten, hat Ann Noel für alle, die am Kontaktgerät sitzend um ein Thema verlegen ihre Blicke ratlos über die Wand schweifen lassen, genau dort eine Batterie Küchengeräte aufgehängt. Gleich in vier Sprachen weisen die Verpackungen der in Italien hergestellten und in Ungarn verkauften Werkzeuge Schöpfkellen als Messer, Teigräder als Schaumschläger und einen Eierschneider als Melonenstecher aus - was nun sowohl den Austausch von Rezepten inspirieren wie auch eine tiefschürfende sprachtheoretische Diskussion über Zeichen und Bedeutung auslösen kann.

Augen und Ohren gehen leicht verloren. Elke Nord sichert Ohren. Hunderte von Ohrmuscheln, fotografiert auf Polaroid, aufgebaut als schallschluckender Winkel. Wo bleibt da die Kommunikation? Versuche einmal 199 Ohrenträger von der Notwendigkeit zu überreden, sich jetzt sofort die Ohren zu waschen, weil du indiskret nicht nur in selbe hineinblicken, sondern sogar mit der Kamera hineinblitzen willst - dann hast du Kommunikation. Fast schon obszön bieten sich die rosa Muscheln an, zu einem eigenen, unheimlichen Lebewesen werdend.

Die größten Ohren brauchen die, die das Gras wachsen hören wollen. Zur Kommunikation mit dem Kosmos lädt der Sessel von Silvia Breitwasser ein, gepolstert mit Torf. Leicht schaukelnd in diesem natürlichen Energiespeicher kann man dann auf das Kribbeln der Verbindungswellen mit der Erde warten oder einfach nur ein bißchen blöde auf die weiße Wand starren.

Aus einem kontinuierlichen Austausch auf dem postalischen Wege zwischen Tauchert und Gisela Weimann ist eine Serie von 49 Postkarten entstanden. Für Gisela Weimann, die in den letzten Jahren an vielen Serien, oft gemeinsam mit anderen arbeitete, hat sich dabei das Postkartenformat als produktionstechnisch gerade noch zu bewältigende Größe herausgestellt. Die Kleinteiligkeit spiegelt auch die punktuelle Konzentration und den Versuch, in kurzen Schüben auf den Grund ihrer Imagination zu tauchen. Kunstpostkarten, Stadtansichten, Urlaubsgrüße - alles wurde den beiden zum Material surrealer Montagen, indem sie aus jeder Karte ein Segment herausschnitten und in die nächste einsetzten. Jetzt treiben in den Flüssen Augen, inmitten historischer Fassadenreihen öffnen sich Schneisen in andere Welten, und Gesichter mutieren zu Landschaften.

Regina Roskoden, deren archaische Häuser aus Terrakotta eher Objekte der Kontemplation als der Kommunikation sind, hat sich in ihrem Bezug auf Tauchert einen Schritt aus ihrem Gehäuse bewegt. Zwischen zwei Häuschen, von denen eins an eine Radarstation erinnert, hängt eine tote Biene, Übermittlerin blauer Farbpigmente. Dies etwas steife Ensemble verrät noch die Widerständigkeit für eine so sehr mit der Aura des einsamen statischen Objekts arbeitende Künstlerin wie Regina Roskoden sich auf eine Konzeption einzulassen, die keine für sich stehenden Werke mehr produziert.

Rosemary Jarman kann ebenfalls nicht auf die Konstruktion einer in sich geschlossenen Arbeit verzichten. Die Fernsehgehäuse haben sie zum Bau eines Guckkasten veranlaßt, in dem man wie in ein illusionistisches, abstraktes Bühnenbild hineinsieht.

Kartin Bettina Müller

Die sechste Folge der „Referenzen“ wird noch bis zum 1.7. in der Galerie Karo, Mi bis Fr von 16 bis 19Uhr, Sa von 11 bis 15Uhr gezeigt.

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