Der Weltraum der Seele

■ Ein Gespräch mit Albert Hofmann (83) über das von ihm entdeckte LSD und die Geschichte, die das stärkste bekannte Halluzinogen gemacht hat

Schon seit alten Zeiten wurde das Mutterkorn, ein auf Roggen und Weizen wachsender Pilz, von Hebammen verwendet, um die Geburt zu beschleunigen. Der Pharmakologe Albert Hofmann entdeckte 1943, als er auf der Suche nach einem Kreislaufmittel neue Verbindungen der Mutterkorn-Alkaloide herstellte, zufällig ihre halluzinogene Wirkung - als „LSD“ ist seine Erfindung berühmt und berüchtigt geworden. Thomas Metzinger sprach mit Albert Hofmann über die Geschichte und Zukunft des Stoffs, der seitdem vielen Menschen oft und erfolgreich als geistiger Geburtshelfer gedient hat.

Thomas Metzinger: Herr Hofmann, wenn man einmal absieht von dem Molekül, durch das Sie so bekannt geworden sind - was halten Sie für Ihre wichtigste Entdeckung in den 42 Jahren, während derer Sie Chemiker bei Sandoz waren?

Albert Hofmann: Meine Forschungsarbeit bestand darin, aus bekannten Arzneipflanzen, zum Beispiel Mutterkorn, Meerzwiebel, Digitalis, die wirksamen Prinzipien zu isolieren, in reiner Form darzustellen, eine Strukturaufklärung und chemische Modifikation vorzunehmen, um dann eventuell die Totalsynthese durchzuführen. Es ist hauptsächlich eine Anzahl von Verbindungen aus der Gruppe der Mutterkornalkaloide, die ich hergestellt habe. Mutterkorn heißt ja deshalb Mutterkorn, weil es schon seit alten Zeiten von den Hebammen gebraucht wurde, um es werdenden Müttern zu verabreichen. Es diente dazu, die Geburt einzuleiten und zu beschleunigen. Und auch dazu, die Nachblutungen zu stillen.

Und die Herstellung des Diäthylamids kam erst hinterher?

Die Lysergsäure hat eine gewisse Verwandtschaft mit der Nikotinsäure, und das Diäthylamid der Nikotinsäure ist das bekannte Coramin, ein Kreislaufstimulanz. Ich hoffte, ein Analogon des Coramins zu erhalten. Diese Verbindung habe ich dann 1938 das erste Mal gemacht. Sie wurde in die Pharmakologie gegeben zum Testen, und dort hat man außer der Uteruswirkung nichts Besonderes gefunden - und einfach schubladisiert. In der exakten Wissenschaft kommt jedoch immer noch ein bißchen Gefühl hinzu. Fünf Jahre später, 1943, dachte ich: Irgendwie gefällt mir diese Verbindung, die muß doch irgendwelche besonderen Wirkungen haben! Am Schluß der Synthese, nachdem ich die Verbindung kristallisiert hatte, geriet ich in einen merkwürdigen Zustand, die Umwelt hatte sich verändert, und ich hatte auch das Gefühl, selbst etwas verändert zu werden. Es war nicht sehr dramatisch, aber irgendwie merkwürdig fremdartig. Ich bin mit dem Velo nach Hause gefahren. Zu Hause habe ich mich hingelegt, es war sehr schön. Wenn ich mir irgend etwas dachte, erschien es wirklich und plastisch, fast lebendig. Es war wunderschön, wie in tausendundeiner Nacht. Ich legte mich hin und dachte mir irgend etwas Schönes, und es war da.

Später begann ich meine Versuche mit der kleinsten Menge, von der noch irgendeine Wirkung zu erwarten war. Ich dachte daran, schrittweise zu steigern. Das war dann der erste geplante LSD-Trip; 1943, am 19.April. Und der war eben schon eigentlich fünfmal überdosiert. Da kam es dann zu dieser dramatischen Reaktion. Ich hatte das Gefühl, wahnsinnig geworden zu sein, weil ich so vollkommen in einer anderen Welt war. Einerseits war mir vollkommen bewußt, was da passiert, andererseits war es - weil ich eben Angst hatte, am Ende bist du vielleicht schon auf der anderen Seite - ein Horrortrip. Als ich nach ungefähr sechs Stunden wieder zurückkam, war es ein wunderbares Erlebnis. Als ob ich in einer ganz anderen Welt gewesen wäre - und nun zurück in unserer wunderschönen Welt. Am anderen Tag kam mir die Welt wie neu, wie frisch vor, wie neugeboren.

Seitdem Sie sich zum ersten Mal absichtlich in diesen Bereich begeben haben - wie oft haben Sie in den vergangenen 46 Jahren diese Erfahrung für sich wiederholt?

Etwa zwölf Mal.

Und es war immer eine bereichernde Erfahrung für Sie?

Ja! Das waren sehr, sehr schöne Erfahrungen. Aber die Umgebung ist sehr wichtig. Das Labor, das mir sonst vertraut war, kam mir unter dem Einfluß von LSD vor wie eine Breughelsche Folterkammer. Diese Geräusche, all diese Störungen, das war schlimm - das paßte nicht dazu. 1949 habe ich mit Freunden und dem bekannten Schriftsteller Ernst Jünger1 ein paar Versuche gemacht, und zwar eben mit entsprechender Umgebung. Wir hatten schöne Musik und ein sehr schönes Ambiente bei ihm zu Hause auf dem Land. So waren wir richtig entspannt und ungestört. Das wurden dann ganz andere Erlebnisse. Wir hatten noch nicht das Wissen um die Bedeutung von Set und Setting, von dem viel später die Hippies gesprochen haben. 1954 kamen auch die Bücher von Huxley heraus, Die Pforten der Wahrnehmung und Himmel und Hölle.2

Huxley ist ja dann auch später unter der Wirkung von LSD in den Tod gegangen. Wäre das eine Möglichkeit, die für Sie persönlich auch in Betracht käme?

Das könnte sein.

Wann wäre es sinnvoll, das zu tun?

Es sind große Untersuchungen durchgeführt worden, in Maryland und später vor allem von Kast,3 auch von Stanislav Grof,4 von Cohen,5 von Walter Pahnke6 - die haben Sterbenden LSD gegeben. Und zwar Krebskranken, solchen Patienten, die auf die stärksten Schmerzmittel nicht mehr reagierten, die einfach in einem derartigen Schmerzzustand waren, daß sie sich nicht mehr geistig mit ihrem Zustand auseinandersetzen konnten. Sie waren nur noch reiner Schmerz. Denen hat man LSD gegeben, und dann hat sich erwiesen, daß der Schmerz verschwand. Sie waren wieder ansprechbar, sie konnten dann Abschied nehmen. Sie waren sich ihres Zustandes bewußt und frei von Schmerzen. Das ist aber keine gewöhnliche analgetische Wirkung. Es beruht darauf, daß man sich irgendwie psychologisch von seinem Körper trennt. Der Schmerz bleibt deshalb sozusagen beim Körper. Ich finde es schade, daß man das nicht ausnutzen kann, daß Menschen davon nicht profitieren können, daß man ihnen damit nicht helfen darf.

Nachdem wir nun ein halbes Jahrhundert Erfahrung mit dieser Substanz haben: Was halten Sie denn für vernünftige Indikationen oder für vernünftige Forschung, die mit LSD noch betrieben werden sollte?

Man sollte eigentlich das fortführen, was sich schon bewährt hat in den ersten 15 Jahren, bevor LSD als Rauschdroge mißbraucht und unvorsichtig verwendet wurde. In diesen ersten 15 Jahren hat sich sehr bald herausgestellt, daß LSD ein wertvolles therapeutisches Hilfsmittel ist. Kein Psychotherapeutikum, aber ein medikamentöses Hilfsmittel in der Psychoanalyse. Einmal wird der Kontakt zwischen Arzt und Patient verbessert. Außerdem ist es ganz typisch und konnte immer wieder bewiesen werden, daß vergessene oder verdrängte Bewußtseinsinhalte - gerade solche traumatischen Charakters, die man ja als Ursache in der Psychoanalyse sucht - beschleunigt ins Bewußtsein treten. Die müssen aber nachher verarbeitet werden! Die Heilung muß dann immer noch durch den Geist kommen, durch den Psychiater oder durch den Patienten selbst. Was LSD macht: Es bringt ins Bewußtsein, was verdrängt ist. Es gibt viele Beispiele in der Literatur, bei denen jahrelang analysiert wurde und das traumatische Erlebnis nicht bewußt gemacht werden konnte. Und dann kam es in einer einzigen LSD -Sitzung ganz zum Vorschein. Das sollte man denjenigen, die das machen wollen, doch erlauben!

Die Psychiatrie bewegt sich ja auch von der Freudschen Introspektion in Richtung auf die transpersonale Psychologie hin. In diesem Zusammenhang ist eine sehr wichtige weitere Funktion von LSD die Loslösung vom Personalen, vom „encapsulated ego“, wie die Amerikaner sagen. Dieses Sprengen der Ich-Grenzen scheint mir eine bedeutsame Möglichkeit zu sein.

Mich würde interessieren, ob Sie in Ihrem eigenen Leben davon profitiert haben. Sie haben eben über die therapeutische Wirkung gesprochen - hat es Ihnen in Ihrem Leben Nutzen gebracht, die Erlebnisse zu haben?

Bestimmt! Es hat mich vor allem dann bei diesen späteren Versuchen, den geplanten in guter Umgebung, an spontanes, visionäres Erleben in meiner Kindheit erinnert. Ich hatte als Kind sehr wunderbare Erlebnisse, die mir geblieben sind. Dieser Zusammenhang hat mich sehr beglückt, aber das hat mich auch dazu geführt - und das hat dann eigentlich die größten Konsequenzen gehabt -, daß das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen, zum Problem wurde.

Ich erkannte, daß meine ganze Welt auf subjektivem Erleben beruht, sie ist in mir, innen. Nicht außen - es gibt keine Farben da draußen. Und das war eigentlich der größte Gewinn, denn wenn man das nun weiß, daß eigentlich in mir die Welt entsteht - das ist dann nicht mehr nur Glaube. Sondern es kommt eine ungeheure Dankbarkeit, ein Vertrauen dazu - in eine höhere Macht, oder wollen Sie sagen: in den Schöpfer, der mir die Fähigkeit gegeben hat, diese Welt zu machen.

Glauben Sie, daß die meisten Menschen, die den LSD-Raum auf vernünftige Weise betreten, zu ähnlichen Erfahrungen kommen werden wie Sie?

Das weiß ich nicht, ob Sie nun gerade bei diesem mystischen Erlebnis bleiben und damit beglückt sind. Für mich hat es eben philosophische Konsequenzen gehabt, und die führten dann zur Verstärkung meines religiösen Gefühls.

Mich würde interessieren, ob Sie persönlich noch Erfahrungen mit anderen psychoaktiven Substanzen gemacht haben, zum Beispiel mit MDMA, und wie Sie diese Erfahrungen persönlich bewerten.

Ja, also vor allem mit den Pilzstoffen, mit Psilocybin und Psilocin, die wir isoliert haben aus den mexikanischen Zauberpilzen. Dort habe ich Erfahrungen gemacht ähnlich wie mit LSD, und MDMA hat man mir auch einmal gegeben - im Esalen-Institut. Es war ein positives Erlebnis. Ich hatte das Gefühl von Zugehörigkeit, es war nicht so ganz weit, aber ich war so geborgen und glücklich und zufrieden, und da war dieses Gefühl des Verbundenseins und der Wärme zu den Mitmenschen - das war ausgeprägt.

Gibt es denn heute irgendwelche Anzeichen dafür, daß LSD schädlich sein könnte? Daß es nicht suchterzeugend ist, das wissen wir ja alle.

LSD ist ein ungeheuer potentes Mittel. Es gibt keinen anderen Wirkstoff, der in diesen Mengen wirksam ist. Zweitens: Die Wirkung greift den Kern unseres Menschseins an, unser Bewußtsein. Das heißt, es ist ein ungeheuer potentes Mittel, und je potenter ein Stoff und seine Wirkung ist, desto mehr Möglichkeiten bieten sich, desto größer ist die Gefahr bei Mißbrauch. Denken wir nur an die gewöhnliche Energie und an die Atomenergie. Die Möglichkeiten sind gewaltig, aber entsprechend auch die Gefahren - genauso ist es mit dem LSD, der psychischen Atombombe. Es ist eine außerordentlich gefährliche Substanz.

Was würden Sie jungen Menschen heute raten, die sagen, wir haben ein Interesse an Bewußtseinserweiterung, wir haben vielleicht ein religiöses Interesse, wir möchten diese Erfahrung machen - aber es gibt keine Lehrer für uns. Wir haben LSD, aber wir haben keine Lehrer hier in Europa oder in Amerika.

Ich verstehe überhaußt nicht ganz, wenn junge - besonders ganz junge - Leute das wollen. Sie haben ja noch so viel vor sich, sie haben noch die ganze normale Wirklichkeit aufzubauen. Ich verstehe es eher, wenn jemand in vorgerücktem Alter das Bedürfnis hat, das Gefühl „Ich komme nicht mehr weiter, jetzt möchte ich mein Bewußtsein erweitern mit pharmakologischer Hilfe“. Ich habe auch mit meinem Freund Gelpke diese Diskussion geführt. Er hat wunderbare Schilderungen von Versuchen mit LSD und Psilocybin publiziert.7 Er hat es mit einer Weltraumreise verglichen, und ich habe ihm gesagt: Wenn man eine Weltraumreise machen will, dann muß man sich vorbereiten, denn es ist ein gefahrvolles Unternehmen. Man muß ein Bordbuch führen, man muß seine Erlebnisse verarbeiten und man muß wieder zurückkommen auf die Erde. Wir sind nicht geboren, um dort im Weltraum zu leben.

Das ist natürlich eine dramatische Bewußtseinserweiterung, aber unser ganzes Leben sollte eine Bewußtseinserweiterung sein, sollte immer reicher werden - wofür sonst sollten wir leben und uns öffnen können? Aber wenn man eben erfaßt hat, daß ich die Welt mache - daß ich reicher werde durch das, was in mich eintritt -, versucht man offen zu bleiben. Und es ist auch möglich, daß man offen bleibt und sich immer mehr öffnet, immer mehr einströmen läßt von diesem ungeheuren Wunder der Schöpfung. Dann ist auch das Altwerden schön.

Es war eine große Beruhigung und Genugtuung für mich, daß an mich das Problem des heiligen Trankes von Eleusis herangetreten ist. Man weiß ja, daß ein ganz wichtiger Faktor der Blüte und der Geistigkeit in der Antike die Mysterien waren. Das größte Zentum waren die eleusinischen Mysterien. Alle großen Geister gingen einmal im Leben nach Eleusis - über 1.000 Jahre war es dort das große Heiligtum -, um einmal im Leben die Erleuchtung zu erleben. Alle Altertumsforscher waren sich einig: Es muß eine psychoaktive Substanz gegeben haben, die hier eine zentrale Rolle spielte. Es war wohl ein Mysterium, es durfte nicht darüber gesprochen werden, es war alles heilig, aber man weiß von den Riten, dem Marsch von Athen nach Eleusis auf dem heiligen Weg und von allen möglichen psychologischen und religiösen Vorbereitungen. Der mythologische Hintergrund war der Abstieg in die Unterwelt von Demeters Tochter Persephone und ihr Wiederaufstieg, das Sterben des Korns und das Wiederkommen einer neuen Pflanze. Und dann bekamen die Adepten im letzten Zentrum, im Telesterion den Kykeon, den heiligen Trank - der ihnen die Vision verlieh. Man hat die Vermutung geäußert, daß es sich hierbei um ein Halluzinogen gehandelt haben muß, denn sonst könnte man ja nicht Hunderten von Personen gleichzeitig diese Vision verleihen, diese visionäre Schau. Bei Untersuchungen hat man festgestellt, daß es im Mittelmeerraum ein Mutterkorn gibt, das auf Wildgras wächst. Das enthält nicht die üblichen Alkaloide, sondern Lysergsäure-amid und Lysergsäure-hydroxy -äthylamid - ganz nahe Verwandte von LSD! Und die wirken nun LSD-ähnlich, so daß also die Priester von Eleusis nichts anderes zu tun hatten, als hinauszugehen ins Freie und das Mutterkorn abzupicken von diesem im Mittelmeerraum weit verbreiteten Wildgras. Dann konnten sie es zermahlen und in den Trank geben und dann hatten sie einen LSD-ähnlichen Trank. Das ist eine Hypothese.

Heute ist es aber so, daß wir erstens keine Priester mehr haben, und daß zweitens die Leute, die LSD nehmen, sich ganz selten auf einem Weg befinden, auf dem das die letzte Stufe ist. Für viele ist das überhaupt die erste Stufe in ihrem Leben. Wie sehen Sie die Zukunft? Die Menschheit hat jetzt ein halbes Jahrhundert Erfahrungen gesammelt mit dieser Substanz. Wie würde man sie weise einsetzen? Müssen wir nicht anfangen, in unserer Kultur Lehrer für den Umgang mit veränderten Bewußtseinszuständen auszubilden? Von selber kommt das ja nicht.

Das wird sich ergeben, wenn es in der Medizin gebraucht wird. Man wird dort immer mehr Erfahrungen sammeln und schließlich sagen können: Unter den und den Bedingungen kann man es auch paramedizinisch anwenden. Es sollte etwa denselben Status wie die Opiate erhalten. Jeder Arzt, jeder Psychiater hat die Möglichkeit, mit Morphin, mit Heroin zu arbeiten. Dann werden die Fachleute von selber entstehen.

Was sind denn für Sie seriöse Vertreter der LSD -Psychotherapie - Stanislav Grof? Nehmen Sie ihn ernst?

Doch, schon. Er hat gewisse Bilder, die meiner Erfahrung nicht entsprechen. Er geht sehr weit zurück in diese pränatalen Zustände. Er meint, daß sie sehr entscheidend sind und daß diese Zustände bei der LSD-Erfahrung wiederbelebt werden. Das entspricht nicht meinen Erfahrungen, ich hatte nie das Gefühl - bei mir war es immer irgendein kosmisches Einheitsgefühl. Die Schönheit empfand ich einfach so stark, wirklich ein tiefes Erleben, die Sinnesempfindungen sind ja stimuliert und gesteigert, die Farben werden lebendiger, die Musik geht durch den ganzen Körper. Eben dieses kosmische Gefühl war für mich wichtig, aber ich habe nicht das Gefühl gehabt, den Geburtsort noch einmal durchzuerleben.

Ich habe auch die Hoffnung, daß mit der Zeit vielleicht so etwas ähnliches entsteht wie Eleusis, Meditationszentren. Wir machen ja so Meditationskurse und so weiter, ich könnte mir vorstellen, daß Zentren entstehen - richtige Meditationszentren, in denen es nicht darum geht, Kranke zu heilen, sondern den Menschen weiterzuentwickeln, neue Dimensionen zu öffnen durch Meditation, durch alle diese Techniken. Dort könnte dann auch die chemische Hilfe hinzutreten. Und es ist sehr wichtig darauf hinzuweisen, daß diese Instrumente gar nicht so abnormal und unnatürlich sind. Denn alle Veränderungen im Bewußtsein sind immer verbunden mit körperlichen Veränderungen. Und es ist ganz wichtig, daß alle diese Stoffe, LSD, Psilocybin, Pflanzenstoffe sind und chemisch-strukturell verwandt mit normalen Hirnfaktoren. Es ist also nicht etwas Abnormales, sondern steht im Zusammenhang unserer Verbundenheit mit dem Pflanzenreich. Wir leben ja ganz von der Pflanze, angefangen bei der Nahrung, über die Medikanemte, über die Vitamine, bis hin zu den „Psychovitaminen“, könnte man sagen.

Ich muß gestehen, daß ich meine Zweifel habe, wenn ich mir die Medizin heute so anschaue und die Mediziner, die mir begegnen, daß sich aus denen mit der Zeit die neuen Lehrer in den Mysterienschulen des 21.Jahrhunderts entwickeln könnten...

(lacht) Aber es gibt schon welche, doch, doch. Es braucht wahrscheinlich Zeit. Der Schaden war sehr, sehr groß durch diese unvorsichtige Anwendung. Die Indianer sagen vom Pilz: Wenn ich nicht rein bin, wenn ich nicht gefastet und gebetet und abstinent gelebt habe, dann macht mich der Pilz wahnsinnig und tötet mich. Das ist eine Scheu und eine Ehrfurcht vor dieser tiefen Wirkung. Wenn man es aber in der Diskothek nimmt oder auf der Straße oder auf irgendeiner Party, wie das gemacht wurde, dann passieren all diese Dinge. Man kann nicht vorsichtig genug sein, weil es so ein tiefgehender Pflanzenstoff ist. An diese Stoffe muß man mit der größten Vorsicht herantreten. Ich habe Angst, daß jetzt dasselbe wieder passiert, wenn das LSD wieder zu schnell und unvorsichtig gebraucht würde, außerhalb des kontrollierten Rahmens. Wenn das zu schnell geht, könnte etwas verdorben werden, das auf lange Sicht heranreifen könnte.

Es gibt Leute, die sich damit beschäftigen - zum Beispiel die Autoren des amerikanischen Buchs „Acid Dreams„8 - und sagen: Es wird heute mehr LSD genommen als vor 15 oder 20 Jahren, aber überwiegend im Stillen und auf vernünftige Weise, von anderen Leuten. Glauben Sie, daß das stimmt?

Das stimmt.

Also ist die Entwicklung nicht abgebrochen?

Nein, und gottlob hört man ja auch nie mehr etwas von LSD -Zwischenfällen.

Also hat die westliche Kultur scheinbar schon ein gewisses Wissen aufgebaut...

Das sollte man nicht zerstören! Das sollte man in der Ruhe wachsen lassen, in aller Stille. Ich möchte, daß man das betont: LSD ist ein sehr gefährlicher Wirkstoff. Er braucht ungeheuer subtile Anwendung, man braucht eine Ehrfurcht vor dieser tiefen Wirkung. Und man sollte das Wissen um die richtige Anwendung in aller Stille wachsen lassen.

1 Jünger, Ernst: Annäherungen - Drogen und Rausch, Frankfurt/Berlin/Wien 1980, Klett-Cotta

2 Huxley, Aldous: Die Pforten der Warnehmung, München 1970, Piper

ders.: Moksha - Auf der Suche nach der Wunderdroge, München 1983, Piper

3 z.B. Kast, Eric C., 1970, „A Concept of Death“, in: Aaronson, B./Osmond, H. (eds): Psychedelics: The Use and Implications of Hallucinogenic Drugs, Garden City, N.Y., Anchor Books

4 Grof, S., Goodman, L.E., Richards, W.A. und Kurtland, A.A., 1973: „LSD-assisted psychotherapy in patients wirth terminal cancer“, International Pharmacopsychiatry 8: 129 -141

Grof, S. und Halifax, J.: Die Begegnung mit dem Tod, Stuttgart 1980, Klett-Cotta

5 Cohen, S., 1965: „LSD and the anguish of dying“, Harpers

6 Pahnke, W., 1969: „The psychedelic mystical experience in the human encounter with death“, Harvard Theological Review 62: 1-21

Pahnke, W., et al., 1970: „Psychedelic therapy (utilizing LSD) with cancer patients“, Journal of Psychedelic Drugs 3 (1): 63-75

7 Gelpke, Rudolf, 1962: „Fahrten in den Weltraum der Seele“, Antaios

Vgl. auch : Vom Rausch im Orient und Okzident, Frankfurt, Berlin, Wien 1982, Ullstein

8 Lee, Martin A./Slain, Bruche: Acid Dreams - The CIA, LSD and the Sixties Rebellion, New York 1985, Grove Press