: Die Mudschaheddin haben noch eine Chance
■ Gespräch mit dem Afghanistanexperten Stefen Galster über die Haltung der USA zu den Mudschaheddin in Afghanistan „Die Vereinigten Staaten haben eine militärische Lösung noch nicht aufgegeben“
Noch wollen die USA die Übergangsregierung der afghanischen Rebellen nicht als legitime Vertretung des Landes anerkennen, weil dazu bestimmte Voraussetzungen fehlten. Das versicherte der amerikanische Sondergesandte bei den Mudschaheddin, Tomsen, am Wochenende. Stefen Galster, Afghanistanexperte beim Nation Security Archiv in Washington, äußert sich zur Rolle des US-Gesandten bei den Mudschaheddin.
taz: Zielen die USA mit der Ernennung eines Sonderbeauftragten auf die internationale Anerkennung der im pakistanischen Exil gebildeten Übergangsregierung?
Stefen Galster: Bislang noch nicht. Tomsen wurde vorerst als Gesandter beim afghanischen Widerstand beauftragt und nicht ausdrücklich bei der Übergangsregierung. Zunächst drängen die Vereinigten Staaten darauf, daß sich diese Regierung auf eine breitere Basis stellt. Angestrebt wird die Beteiligung anderer Widerstandsführer außerhalb der in Pakistan beherbergten Siebener-Allianz sowie gewisser Kommandeure innerhalb Afghanistan.
Darüber hinaus ist noch immer die Einnahme einer der größeren Städte, entweder Dschalallabad oder Khost, Voraussetzung für eine solche Anerkennung. Erst wenn diese Bedingungen geschaffen sind, wird Herr Tomsen de facto als Botschafter bei der Übergangsregierung antreten. Seine Ernennung erfolgte auf Druck von Kongreßmännern wie Senator Hamphry, die die Übergangsregierung so bald wie möglich anerkennen wollen, während andere noch darauf warten, daß die Übergangsregierung ihre Legitimität unter Beweis stellt. Die meisten Leute der Bush-Administration rechnen allerdings damit, daß dies bis Ende des Sommers gelingt.
Ist damit eine neue Phase politischer Konfliktlösung angesagt?
Die Vereinigten Staaten haben die militärische Lösung noch nicht aufgegeben. Sie bereiten sich auf eine weitere Kampfphase vor. Die Ernennung des Gesandten Tomsen soll letztlich nur die Übergangsregierung unterstützen. Die Konzentration richtet sich derzeit jedoch auf die Änderung der militärischen Strategie sowie die Entsendung weiterer und neuer Waffen wie zum Beispiel Splitterbomben, die für den Einsatz in afghanischen Garnisonen vorbehalten sein werden.
Kann Pakistan an einem neuen Grenzkonflikt interessiert sein?
Die pakistanische Bevölkerung und das Außenministerium sind an einer Verlängerung des Afghanistankrieges bestimmt nicht interessiert, ihnen liegt an der Rückkehr der Flüchtlinge. Dominiert wird die Politik allerdings noch immer vom pakistanischen Geheimdienst ISI und der CIA. Weder Pakistans militärischer Geheimdienst noch die CIA sind daran interessiert, auch nur mit Teilen des kommunistischen Regimes in Kabul die Macht zu teilen. Erst wenn die Mudschaheddin ihre neue militärische Chance bis Herbst nicht nutzen können, ist an Verhandlungen zu denken. Die USA setzen darauf, im Herbst in einer besseren Position zu sein. Ich persönlich gehe nicht davon aus. Sie verpassen gerade eine Chance.
Interview: sl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen