: „...es läuft alles so ganz gut“
Alle Jahre wieder: Das „Badekabinett“ in Italien / Statt zu regieren, wird bis zum Ende der Sommerferien bloß verwaltet / Große Sprüche - und alles bleibt beim alten ■ Aus Rom Werner Raith
Italiens Politiker sind offenbar wieder entschlossen, den legendären Spruch des Fiat-Patriarchen Gianni Agnelli zu bestätigen: „Dieses Land ist unregierbar. Aber das macht nichts: es läuft auch so alles ganz gut.“
Mehr als sechs Wochen seit Beginn der Regierungskrise überbieten sich die Parteiführer in Sprüchen, die eher Zweifel an ihrer Intelligenz denn Hoffnung auf eine neue Administration wecken. Der zurückgetretene christdemokratische Ministerpräsident De Mita erklärte nach der Europawahl, nun lege er die Krise „erst mal bis nach dem Madrider Gipfel auf Eis“. Doch während er sich bei den Großen sonnt, sieht zu Hause sein Parteichef Arnaldo Forlani „alles grau, sehr grau„; Ugo La Malfa, Vorsitzender der industrienahen Republikanischen Partei, „versteht bis heute noch nicht, was diese Krise eigentlich soll“. Zu fragen wäre allerdings, was die Politik des ewigen Verschiebens aller Regierungsaufgaben sollte, von dem mehr als einem Jahr überfälligen Neuabschluß der Tarifverträge im öffentlichen Dienst bis zur Sanierung des völlig zusammengebrochenen Gesundheitswesens, vom unausgeglichenen Staatshaushalt bis zur Reform des Sexualstrafrechts, das Koalitionsmitglieder in letzter Sekunde noch einmal zu Fall gebracht haben. Dabei wird bei alldem nicht viel anderes als die herkömmliche Allianz - Christ- und Sozialdemokraten, Sozialisten, Republikaner, Liberale - herauskommen.
Das Tauziehen ist freilich auch durch den Ausgang der Europawahlen schwieriger geworden: Außer den Grünen haben sich alle Parteien kräftig verrechnet; manche, wie die Kommunisten, vorab sogar kräftig zu ihren Ungunsten. Hatte selbst Kommunistenchef Occhetto vor dem 18. Juni „22 Prozent schon als gutes Ergebnis“ bezeichnet, so erhielten die Roten satte 27,8 Prozent und damit sogar ein Prozent mehr als bei den Nationalwahlen 1987. Um so länger die Gesichter der Sozialisten, die gar an einen Vorbeimarsch am PCI geglaubt und danach von einer „vereinten Linken unter PSI-Hegemonie“ geträumt hatten: mit mageren 14,6 Prozent kommen sie nun gerade auf die Hälfte des PCI; das stärkt auch ihre Position innerhalb der Koalition kaum.
So weiß keiner so recht, was nun werden soll. Und die Italiener können sich wieder mal auf eines ihrer ihnen liebgewordenen „Badekabinette“ einrichten, eine reine Übergangslösung zur Fortführung der Regierungsverwaltung bis zum Ende der Ferien im September. Dann erst wird „ernsthaft“ verhandelt.
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