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Trash mit Flex und Funken

■ Die „Beatnigs“ kamen mit großer Maschinerie in den Römer

Erst einmal mußte genau hingeschaut werden. Eine Band ganz ohne Gitarre? Die Beatnigs aus San Francisco machten von Anfang an klar, womit sie den Römer unterhalten wollten: Mit Krach hart an der Schmerzgrenze. Doch die herkömmlichen Schubladen gelten lange nicht mehr. Krach kann auch Musik sein.

Der Bandname ist Programm, wie Bassist Michael Franti im Gespräch erklärte. Drei Mitglieder des Quartetts seien schwarz, Perkussionist Rono Ise ist chinesischer Abkunft, somit ist das Bild der „Nigger“, die kräftig zuschlagen, angemessen.

Draufgehauen wurde kräftig auf der kleinen Bühne, musikalisch wie auch inhaltlich. Allein der Bühnenaufbau verhieß Spannung. Neben einem normalen Schlagzeug, von Kevin Carnes sorgfältig und hart bearbeitet, standen und lagen Utensilien herum, die eher an eine Automobilwerkstatt erinnerten als an ein Musikinventar: Reifenfelgen, Kühlergrills, ein Schwingschleifer, Ketten, eine Metallglocke und jede Menge Knüppel und Schlegel waren dazu bestimmt,

rüdes Klangmaterial zu Rundumschlägen gegen die Übel dieser Welt zu liefern. Nach einer Hommage an Malcolm X, düster und aufwühlend, getragen von einer Woge Soundgemisch vom Band und des kleinen Synthesizers (Andre Flores) ging es dann richtig zur Sache. Der großgewachsene Franti hüpfte mit seinem Bass fast bis an die Decke, eigenartige Geräuschkonstellationen erfüllten den Raum und Rono Ise kletterte auf einen Boxenturm: Thema war das Fernsehen, diese Geißel “ der Menschheit“, wie Franti fand.

Überhaupt mochten sie sich nicht zurückhalten mit ihrer Meinung über die Welt und Amerika im Besonderen. Das Problem der Wohnungslosen wurde zum Fanal der Gegengewalt, bei dem die Kettenstränge immer wieder auf ein Absperrbrett gewuchtet wurden, sinistre Keyboardklänge den Zigarettenqualm durchschnitten und ein geballtes „they must own the streets“ den Raum erfüllte. Sie seien halt eine sehr politische Band, sagte Franti, da muß das Publikum eben gehörig durchgerüttelt werden. Aber didaktisch und pathetisch, nein, das käme

den Beatnigs überhaupt nicht nahe. „Wir fühlen, daß wir etwas ausdrücken müssen, eine andere Art von Information, die wir den Leuten anbieten. Wir wollen, daß die ZuhörerInnen beginnen zu fragen.“

Dazu war es zumindest während des Konzertes zu laut. „We're not afraid of revolution, cos it means change“, wußte Tastenmann Flores zu erzählen, doch irgendwie hätte er sich den politischen Schulterschluß sparen können. Der musikalische Kraftakt der Kalifornier reichte völlig. Nach Herzenslust droschen die Vier auf alles ein, was ihnen unter die Hände kam, sogar grelle Funkenfontänen der Flex, eines gewöhnlichen Schwingschleifers, brandeten über das Podium. Als dann auch noch die aktuelle Situation in der VR China mit einbezogen wurde, war es eigentlich zuviel des Guten. Doch dem Publikum gefiel es und so war es auch kein Problem, zum Abschluß fünf Gäste zu animieren, auf der Bühne perkussiv die deutsch-amerikanische Freundschaft zu pflegen. So lassen wir sie uns gefallen. Jürgen Franck

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