: Methadon: SPD vermeidet Kampfabstimmung
■ JuristInnen machten Bedenken geltend / Tendenz: eher für Methadon / Montag Entscheidung in neuer Sitzung
Die Bürgerschaftsfraktion der SPD hat gestern überraschend doch noch keine Entscheidung in der heftig umstrittenen Methadon-Frage getroffen. Senat, Senatskanzlei, der Bürgermeister und vor allem Sozialsenator Henning Scherf hatten im Vorfeld mit aller Macht zu verhindern versucht, daß die Fraktion sich die Erkenntnisse des SPD-Fraktions -Ausschusses „Drogen, Aids und Randgruppen“ zu eigen machte und die bislang starre Anti-Methadon-Politik, seit Jahren durchgesetzt von Sozialsenator Scherf, lockerte vgl. taz v. 26.6.). Sogar die angekündigte Pressekonferenz über die Erkenntnisse und Forderungen des Ausschusses war vorsorglich zurückgepfiffen worden.
Nach über einem Jahr theoretischer und praktischer Arbeit hatte der Ausschuß den GenossInnen ein Papier vorgelegt und als Antrag in die Stadtbürgerschaft einbringen wollen: Es sieht als Knackpunkt den ärztlich verschreibbaren Heroin -Ersatzstoff „Methadon“ für „entzugswille Drogenabhängige“ vor, wenn der
totale, „kalte“ Entzug „nach mehreren erfolglosen Versuchen“ ausscheidet.
Mit machtvoller Unterstützung des Senats hatten die Ressorts Soziales, Justiz und Gesundheit ein Gegenpapier verfaßt, das Methadon nur nach engen Richtlinien, keinesfalls aber als Ausstiegshilfe für Junkies zulassen will. „Es war eine Fehleinschätzung, daß damit eine Einigung erzielt wäre“, erklärte gestern der Pressesprecher der Fraktion, Uwe Kramer, der taz: Die Fraktion hat sich also in die Meinungsbildung nicht so ganz umstandslos hineinregieren lassen. In der Debatte waren gestern JuristInnen mit rechtlichen Bedenken gekommen und hatten behauptet, daß Methadon in Bremen ohne Einbettung in ein anerkanntes Modellprojekt nicht geben könne. Die Tendenz der Fraktionsmeinung sei „schon eher für Methadon“ gewesen, wertete Kramer. In einer neuen Sitzung am Montag soll nun entschieden werden: „Wir wollten heute keine Kampfabstimmung.“
Zu Beginn der Fraktionssit
zung standen über zwei Dutzend Junkies und VertreterInnen des Vereins „Kommunale Drogenpolitik“ und der „Aids Hilfe“ vor der Bürgerschaft Spalier und zeigten den PolitikerInnen ihre Plakate: „Methadon für jeden, dem es hilft“. Methadon-Feind Henning Scherf lächelte mehr als knapp und nahm den kürzesten Weg hinein, Senatschef Klaus Wedemeier fand salomonisch: „Das ist objektiv richtig - aber hier wird subjektiv entschieden.“
Was in dem vom Senat beschlossenen und zwischen den Ressorts Soziales, Justiz und auch Gesundheit ausgehandelt worden war, fällt weit hinter die bereits praktizierte Drogenpolitik anderer Bundesländer zurück. Daß bei „schweren finalen Krakheitszuständen“, bei „Krankenhausaufenthalten“ und bei „Schwangerschaft“ Methadon ärztlich verabreicht werden darf, ist längst entschieden, wenn auch noch nicht durchgesetzte Praxis bei allen ÄrztInnen und Kliniken.
FDP und Grüne, empört über das Hineinregieren von Senat und Bürgermeister in die Meinungsbildung, wollen jetzt zum Thema Drogenpolitik eine Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft beantragen.
Tragisches Zusammentreffen: Während die Abgeordneten tagten, wurde der Tod von zwei weiteren Drogenabhängigen be
kannt. Damit sind in 1989 bereits 23 Menschen an den Folgen ihrer Drogenkrankheit gestorben. Susanne Paa
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