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Blüms Mission geglückt

Norbert Blüm, Bundesarbeitsminister und in Sachen Menschenrechten engagierter CDU-Politiker, hat in der Bundesrepublik mit seiner gestern abgeschlossenen viertägigen Südafrikareise neue Bewegung in die Südafrikadebatte gebracht. Wie schon mit seinem spektakulären Besuch in Chile 1987 hat Blüm auch jetzt Schlagzeilen gemacht. Zweifellos ist er nicht nur südafrikanischen Apartheidpolitikern auf die Nerven gegangen, sondern hat auch innerhalb der CDU für Aufregung gesorgt.

Zwei Schwerpunkte hatte er sich gesetzt: Menschenrechte und Diskussionen über die Mindeststandards der IGMetall für schwarze Arbeiter in Südafrika. „Das Eintreten für Menschenrechte ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staats“, kündigte er gleich zu Beginn seiner Reise vor dem südafrikanischen Kirchenrat an. Kurze Zeit später konfrontierte er sowohl Südafrikas Staatspräsidenten Pieter W. Botha wie auch dessen Kollegen, den Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, mit umfassenden Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land.

Die Begegnung mit Botha war sicherlich der Brennpunkt der Blümschen Mission. „Das war schon relativ grob“, meinte Blüm nach dem Treffen vor der Presse. Vlok ging schon subtiler vor. Als über den seit mehr als drei Jahren andauernden Ausnahmezustand diskutiert wurde, zeigte der Polizeiminister dem deutschen Besucher einen kurzen Videofilm mit Bildern grausamer Lynchmorde in den Ghettos der Schwarzen. „Um das zu vermeiden, brauchen wir den Ausnahmezustand“, so Vlok. Blüm wies seinerseits auf eine von der südafrikanischen Botschaft in Bonn verteilte Broschüre hin, in der behauptet wird, daß Häftlinge, die ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, schriftlich über die Gründe ihrer Inhaftierung informiert werden. Tatsächlich ist auch kein Fall bekannt, wo einem Häftling eine schriftliche Begründung für seine zum Teil jahrelange Haft gegeben worden wäre. Blüm gab Vlok eine Liste mit 103 Namen solcher Häftlinge.

Die Mindeststandards, ein 14punkteplan der IGMetall, der vermeiden soll, daß deutsche Betriebe in Südafrika die Apartheidgesetze zur Maximierung ihrer Profite ausnutzen, wurden in Gesprächen mit Gewerkschaftern und Geschäftsleuten diskutiert. Die Standards sind bisher von BMW, Daimler-Benz und Volkswagen in Südafrika akzeptiert worden. Bei einer Werksbesichtigung bei BMW bestätigten schwarze Betriebsräte, daß sie mit Hilfe der Standards negative Auswirkung der vor kurzem verschärften Arbeitsgesetzgebung umgehen konnten.

Hinter den Kulissen gibt es aber sowohl bei südafrikanischen Gewerkschaften als auch bei kleineren deutschen Betrieben Unmut über den IG-Metall-Kodex. Viele Gewerkschafter kritisieren, damit gäbe man den Konzernen ein Argument in die Hand, sich gegen Forderungen zum Rückzug aus dem Apartheidstaat zu wehren. Und kleinere Unternehmen wollen die Standards nicht einführen, weil sie angeblich zu kostspielig sind.

Nachdem Blüm im Anschluß an seinen Besuch in Chile angekündigt hatte, daß er auch nach Südafrika fahren wolle, mußte er kommen. Irgendwann. Seine Ankunft am Kap hat sich allerdings lange verzögert. Zuerst mißfiel das Anliegen Strauß und Kohl. Ein Versuch, daraufhin als Vertreter der EG -Arbeitsminister zu reisen, scheiterte am Widerstand Margaret Thatchers. Dann verhinderten Sozialreform und Europawahlen die Abreise.

Der jetzige Zeitpunkt ist spannend. Südafrikas zukünftiger Staatspräsident Frederick de Klerk ist am Dienstag von einer Europareise zurückgekehrt, in deren Verlauf er auch in Bonn Klinken putzte. Doch de Klerks Euphorie über die Offenheit, mit der er in Bonn, Rom, Lissabon und London empfangen wurde, ist durch Blüms Konflikte mit verschiedenen südafrikanischen Ministern gedämpft worden. Zwar steht nach den Wahlen Anfang September in Südafrika ein Wechsel an. Doch es muß dem neuen Apartheidboß klar sein, daß er nicht viel Zeit hat, seine voll mundig verkündete Bereitschaft zu tiefgreifenden Veränderungen zu beweisen.

In der Südafrikapolitik seiner Partei hat Blüm mit dieser Reise deutliche neue Akzente gesetzt. Der rechte Flügel der Partei wird dagegen protestieren. Andererseits hat Außenminister Genscher im Kabinett einen neuen Verbündeten in Sachen Südafrika gewonnen. Vermutlich wird Blüm für zusätzliche Maßnahmen gegen Südafrika plädieren. Er verurteilte zwar globale Sanktionen, schloß allerdings neue Maßnahmen nicht aus, sollten sich in Südafrika nicht in Kürze Veränderungen abzeichnen.

Trotz allem Engagement für Menschenrechte merkte man Blüm an, daß er mit der komplexen Materie des Apartheidstaats keineswegs vertraut ist. Vielleicht waren gerade deshalb die Erfahrungen vor Ort, von den Zuständen in Soweto bis hin zur Arroganz Bothas, um so eindrücklicher. Wenn der Arbeitsminister sich aber tatsächlich in die Debatte einschalten will, muß er seine ersten Eindrücke erheblich vertiefen.

hb

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