piwik no script img

Arbeitsämter mogeln

Immer noch wird Elterneinkommen in Rechnung gestellt  ■ Mit der DREISTIGKEIT auf Du und Du

Die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg ignoriert weiterhin eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 7. September 1988, daß bei der Arbeitslosenhilfe nicht mehr das Einkommen von Eltern, Kindern oder früheren Ehegatten einberechnet werden darf. Mit dummdreisten Sprüchen versuchen die zuständigen Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen schon mal, die Arbeitslosen abzuwimmeln. So geschehen zum Beispiel in der vorletzen Woche im Arbeitsamt zu Berlin.

Der 35jährige Franz St. (Name ist der Redaktion bekannt) hatte sich nach längerer Zeit wieder arbeitslos gemeldet und Arbeitlosenhilfe beantragt. Schon beim Ausfüllen des Antragsformulares wunderte er sich, daß die Frage nach dem Einkommen der Eltern nicht aus dem Fragebogen gestrichen worden war. Franz St. hatte 1988 selbst erfolgreich vor dem Berliner Sozialgericht gegen die Einbeziehung des Elterneinkommens bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe geklagt, gewonnen und eine für ihn erfreuliche Summe als Nachzahlung einstecken können. Dementsprechend ließ er diese Stelle des Formulars unausgefüllt. Dies wiederum wurde vom zuständigen Sachbearbeiter der Leistungsstelle moniert. Das Urteil des Bundessozialgerichtes wischte er lapidar mit „dies war eine Einzelfallentscheidung“ beiseite. Und den Hinweis von Franz St., daß er selbst eine solche Klage gegen das Arbeitsamt durchgesetzt habe, schien er zu überhören. Ohne die Angabe der Einkommensverhältnisse der Eltern, wollte er den Antrag nicht annehmen.

Franz St., doch sehr verwundert, ob solcher Sturheit, wandte sich an seine Anwältin. Die schrieb einen geharnischten Brief, drohte mit Klage und setzt eine einwöchige Frist. Und siehe da, binnen acht Tagen war die Behörde in die Knie gezwungen. „Wunschgemäß bestätige ich Ihnen, daß der Antrag des oben genannten umgehend bearbeitet wird“, lautete der Text der Kapitulation. Die taz hatte mehrfach über einschlägige Urteile berichtet, die es den Arbeitsämtern verbieten, das Elterneinkommen in Rechnung zu stellen.

-ph

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen