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Abschreckung

Senat blufft DDR-Zuwanderer  ■ K O M M E N T A R

Je länger die Schlangen vor dem Aufnahmelager Marienfelde werden, je voller die überbelegten Schlafsäle, desto mehr wird zur Schreckensvision, was das „freie Berlin“ seit 28 Jahren fordert: daß „die Mauer fallen möge“ ist zum neuen Alptraum der Stadtpolitiker und wohnungssuchender West -Berliner geworden. Seit Montag versuchen die Berliner Behörden, DDR-Zuwanderer zur Weiterreise in die Bundesrepublik zu überreden. Mit wenig Erfolg. Die meisten DDRler haben jahrelang auf ihre Ausreisegenehmigung gewartet: Viel Zeit, um im Westfernsehen die Politikerreden von der deutschen Einheit zu verfolgen. Die Freizügigkeit so der ständig wiederholte westliche Appell an die DDR -Regierung - sei ein elementares Menschenrecht, genauso wie das Recht auf Familienzusammenführung.

Wenn die West-Berliner Behörden nun den Übersiedlern genau diese Rechte verwehren, dürfen sie sich über deren Widerstand nicht wundern. DDR-Bürger sind Deutsche im Sinne des Grundgesetzes und demnach genauso zu behandeln wie die Bundesbürger. Mit Bluff, Fehlinformationen und Drohungen wird nun versucht, so viele DDRler wie möglich abzuschrecken. Doch einer möglichen Klage eines Betroffenen wird diese neue Verschiebepolitik des Senats kaum standhalten können. Man kann nicht jahrzehntelang die Sitze für die Bürger aus Ost-Berlin freihalten, um sie dann wieder wegzuschicken. Eines ist klar: Es gibt keine Patentlösung des Problems, denn es gibt keine Wohnungen für Neuankömmlinge. Doch mit seiner Vertuschungs-und Desinformationspolitik verschlimmert der Senat die Lage. Soviel müßte der Senat doch gelernt haben: die Schmuddelarbeit den Die Schmuddelarbeit den Behörden zu überlassen, um selbst auf Tauchstation zu gehen, ist keine Politik.

Myriam Moderow

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