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Polizei will „Modernes“ schließen

■ Neustädter Kulturzentrum steht vor dem Aus / Stadt- und Polizeiamt will laute Disco-Nächte endgültig verbieten

Das Kulturzentrum „Modernes“ in der Bremer Neustadt steht kurz vorm Ende. Am letzten Freitag kündigte der stellvertretende Chef der Bremer Verwaltungspolizei, Hans -Jörg Wilkens, den Modernes-Betreibern Heiner Hellmann und Edo Woltersdorf schon einmal mündlich an, was s im Laufe der Woche auch noch schriftlich kriegen sollen: Ab 1 Uhr nachts soll im Modernes in

Zukunft Ruhe sein - die beiden langen Wochenend-Disconächte sollen auf Anordnung des Stadt-und Polizeiamts mit sofortiger Wirkung ersatzlos ausfallen.

Was das Polizeiamt als Regelung zugunsten der in ihrer Nachtruhe von an- und abfahrenden Disco-BesucherInnen behelligten Anlieger versteht, bedeutet für Modernes -Mitinhaber Heiner Hellmann das sichere Aus für das

einzige Kulturzentrum in der Bremer Neustadt: „Ohne die beiden langen Disconächte ist der Laden für uns nicht zu halten. An den beiden Abenden machen wir die Umsätze, die wir zum Unterhalt des Gebäudes unbedingt brauchen.“

Immerhin: Die beiden Modernes-Betreiber sitzen noch auf einem Schuldenberg von rund 400.000 Mark, mit denen sie das

„Modernes“ vor zweieinhalb Jahren vom schmudligen Porno-Kino zu einem der beliebtesten Bremer Kultur- und Szenetreffpunkte umbauten. Rund 700 Mark kostet ein Tag Modernes, die Gehälter für sieben MitarbeiterInnen, rund 20 Aushilfen, Gagen, Film-Leihgebühren usw. nicht gerechnet. „Mit dem Kino- und Konzertprogramm an normalen Werktagen sind diese Kosten unmöglich hereinzuholen,“ legt Hellmann die bisherige Kalkulation für den Betrieb des „Modernes“ offen.

Daß Hellmann und Woltersdorf sich im November 1986 auf das unternehmerische Wagnis „Modernes“ überhaupt eingelassen haben, liegt für sie vor allem daran, daß „wir seinerzeit eine Konzession bekommen haben, in der exakt das erlaubt wurde, was wir bis heute machen - die Disconächte inclusive“. Gegen die überraschende Kehrtwende des Stadt und Polizeiamts wollen die Modernes-Betreiber jetzt mit allen juristischen und politischen Mitteln vorgehen.

Mindestens 12.000 Besucher werden sie dabei unterstützen. Soviele Unterschriften stehen schon jetzt unter einer Resolution gegen die Einschränkung des Veranstaltungsprogramms. Daß die Modernes-Manager gleichwohl Verständnis für die rund 70 Unterzeichner einer Protest -Erklärung gegen den An- und Abfahrtslärm aufbringen, belegt z.B. eine Anzeige im Bremer Veranstaltungskalender „Mix“: Für „Ruhe auf der Straße“ warb das Modernes dort ganzseitig. Und klein darunter: „Macht was, aber bloß keinen Krach“. Um ihrer Bitte Nachdruck zu verleihen, heuerten die Modernes -Manager obendrein zusätzliche Ordner an, die nächtliche Gäste sanft aber be

stimmt um gedämpfte Gespräche vor den Modernes-Toren baten.

Auch an einem Verkehrs-Konzept, das Autos und Motorräder nachts aus dem engen Neustadtwall verbannt hätte, beteiligten sich die Modernes-Macher. Ihr Vorschlag: Den Neustadtwall nachts dicht machen, dafür auf der breiten Westerstraße eine Linksabbiegerspur Richtung Parkplatz Grünenkamp einrichten. Für verkehrslenkende statt kulturverunmöglichende Lösungskonzepte hatte sich im Prinzip auch der Neustädter Stadtteilbeirat ausgesprochen. Einstimmig forderten sie Innensenator Sakuth am 5. Juni auf, „der Straßenverkehrsbehörde Personal zur Planung verkehrslenkender- bzw. regelnder Maßnahmen im Umfeld des Veranstaltungszentrums Modernes zur Verfügung zu stellen.“

Die gutgemeinten Vorschläge blieben bis jetzt jedoch im Kompetenzwirrwarr dreier senatorischer Behörden hängen. Der Senator für Inneres, zuständig für Verkehrsplanung, der Senator für Wirtschaft, zuständig für Gastronomie, und der Senator für das Bauwesen, zuständig für bauliche Folgen verkehrslenkender Maßnahmen, konnten sich in einem gemeinsamen Spitzengespräch nicht auf eine Alternative zur 1 -Uhr-Feierabend-Verfügung verständigen. Stattdessen kam aus der Innenbehörde die tröstliche Anregung für die Modernes -Manager, das Modernes auch am Tag zu nutzen. Wozu, verschwiegen die Verwaltungspolizisten allerdings. Heiner Hellmann mit bitterem Galgenhumor: „Tagsüber kann man hier allenfalls 'ne Spielhölle oder 'nen Warenlager mit Restposten aus Schadensfällen aufmachen. Beides geht aber nur ohne uns.“

K.S.

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