: Standbild: Trauer, öffentlich-rechtlich
■ Das Rätsel der Gefühle
(Das Rätsel der Gefühle, 1.7., 14.00 Uhr, ZDF) Während der trauernde Jude, der seine Familie im Konzentrationslager verlor, versucht, von seiner Hoffnung zu sprechen, versagt seine Stimme. Nervös wischt er sich den Schweiß von der Stirn, während die Kamera ihn gnädig zu verlassen scheint, doch sie fährt zurück, unerbittlich.
Trotz ihres inflationären Gebrauchs sind es immer wieder diese Bilder, sind es solcherart Szenen, die am ehesten Authentizität vermitteln. Es ist die öffentliche Teilhabe am Zusammenbruch, am Intimen, der Blick auf den unverschleierten Schmerz, der einzig beim Zuschauer Emotionen wachruft. Wie auch Gefühle darstellen in einem Medium, das mit immer schnelleren Schnitten und fulminanteren Bildfolgen die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu erheischen sucht.
Es ist dieses Grundproblem der Darstellung von Emotionen, dem eine Sendereihe sich stellen muß, die um nicht weniger als „Das Rätsel der Gefühle“ sich bemüht. Das ist ein schwieriges Unterfangen, will man nicht abgleiten in ausufernde Gefühligkeit oder lehrhafte Analyse.
Nun ist das Problem mit der Trauer in unserer Gesellschaft, - um sie ging es im zweiten Teil dieser Sendereihe - die primär privat sich vollzieht, naturgemäß schwer zu bebildern. Um so vorsichtiger bei der Auswahl der Szenen hätte man sein müssen, doch ungeniert wurde hier in die Trickkiste der Assoziation gegriffen: Fallende Blätter, der rauchende Schlot eines Krematoriums und vor allem die Moderatorin Elftraud von Kalckreuth mit wallendem Tuch, die entweder zwischen den Grabsteinen steht oder vor einem Grab, das gerade von den Totengräbern ausgehoben wird. Dazu getragene Klaviermusik natürlich. Daß das Problem der Trauer, das in unserer Gesellschaft ausgegrenzt und verdrängt wird, zum Thema gemacht wurde, das muß anerkannt werden. Aber zu bieder war die Machart, zu konventionell die Konzeption, gerade wenn man den Anspruch hat, alle Aspekte der Trauer zu beleuchten. Da kam der katholische Priester ebenso zu Wort wie der obligate Experte, der Psychologe, der den Trauerprozeß in drei Phasen einteilt, da wurde das Geschäft mit der Trauer ebenso angeprangert wie die Fragwürdigkeit gesellschaftlicher Trauerrituale, und da kam die Isolation der Hinterbliebenen ebenso zur Sprache wie die militärischen Ehrenrituale für die Gefallenen. Dieser Parforceritt durch die gesamte Palette der Trauerrituale verschiedener Kulturen in einer halbstündigen Sendung, das war einfach zu viel. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Bei aller Kritik, vielleicht haben die Passagen, in denen die trauernden Eltern einer Selbsthilfegruppe über ihre Gefühle sprachen, doch ein wenig dazu beigetragen, daß der Vereinzelte vorm Bildschirm eine Hilfe für den Umgang mit seinem Leid erfuhr. Vielleicht haben sie erkannt, wie hilfreich die Solidarität im Leid sein kann. Das wäre nicht wenig.
K.-H. Stamm
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