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BigMac ist wieder da

Wimbledon-Nostalgie mit John McEnroe  ■  PRESS-SCHLAG

Dreimal hat er Wimbledon gewonnen, dieser John Patrick McEnroe, und lieferte sich schon vor über einem Jahrzehnt unvergessene Duelle mit Björn Borg. Dann wurde Johnboy des Siegens leid, heiratete die Schauspielerin Tatum O'Neal, wurde zweifacher Vater, und 30 Jahre ist für einen Tennisspieler, außer dem ewigjugendlichen Connors, das nahende Rentenalter. Doch 1989 in Wimbledon ist BigMac wieder da, nicht nur wegen seiner bislang drei Siege, mit denen er im Achtelfinale steht.

Das Familienglück wurde allgemein als Karrierebruch gewertet und als Zeichen, daß der US-Tennisrüpel allmählich den Weg aus der Pubertät finden würde: Was hatte er früher herumgepöbelt und gemault, unflätig geschimpft, mal statt seiner Backhand seinen Backpart gezeigt, Linienrichter bedroht, und sein zart besaitetes Arbeitsgerät ins Publikum gefeuert, wenn ihm mal wieder etwas nicht paßte. McEnroes Benehmen war natürlich mit den Konventionen einer erzkonservativ-versnobten Tennisinstitution wie dem „All England Lawn Tennis and Croquet Club“ nicht zu vereinbaren, so daß er bis heute der einzige Sieger ist, dem die obligate Ehrenmitgliedschaft verweigert wurde.

Doch 1989 in Wimbledon zeigt Johnboy nunmehr als Johnman alte Qualitäten - mit tänzelnd flinker Beinarbeit (trotz seiner körperlichen Kompaktbauweise), mit seinen typisch brillanten Aufschlägen quer zum Gegner (gegen jeden Tennis -Knigge) und verblüffenden Passierschlägen aus unmöglichen Situationen. Doch da sind auch wieder die Gesten und Verbalattacken wie in guten alten Junggesellenzeiten: diese aggressiven Blicke zum Gegner, die erzürnten Schlägerkantenhiebe auf Netz und den Hl.Rasen, kleine Fußballspielereinlagen zur Gaudi der Massen und zum Frust des Gegenübers und dieses herzerweichende Augenrollen, wenn der Tennisgott seinen perfekten Schlag auf der Netzkante verhungern läßt.

Bei seiner Show als vom Schicksal bös Gedemütigter strahlt er eine Aura aus, die bis zum letzten Platz unterm Dach zu spüren ist; und wohl auch darüber hinaus: der nächste Netzroller plumpst garantiert ins gegnerische Feld. Am Samstag fegte er seinen Landsmann Jim Pugh in drei Sätzen vom Platz, Centre Court, dort wo er sich nach eigenem Bekunden wie zu Hause fühlt, nach gerade mal gut eineinhalb Stunden. Schwierigkeiten hatte der Backcomer nur im ersten Match gehabt, am Dienstag, als er gegen den Australier Darren Cahill die ersten beiden Sätze verlor und doch noch triumphierte. Es war das erste Mal in seiner langen Tenniskarriere, daß er in einem Grand Prix-Turnier nach einem 0:2-Rückstand noch als Sieger den Platz verließ. Und er tat dies mit besonderer Genugtuung gegen einen der warum -auch-immer-verhaßten Aussies und wurde genau in dem Moment erfolgreich, als er wieder herumzumosern begann und eine Verwarnung als Doping bekam.

Von einem enttäuschten australischen Journalisten unverschämterweise gefragt, warum er so viele Doppelfehler gemacht habe, entgegnete McEnroe, das solle der Frechling ihn, BigMacEnroe, mal bloß nicht draußen gefragt haben. Wenn dieser kleine Teenager Michael Chang, der Pariser Sensationssieger, auch in Wimbledon siegen sollte, höhnte der geborene Wiesbadener Filzball-Oldie, werde er auf dem Centre Court die Hosen runterlassen. Diesen Anblick könnte McEnroe durch einen Sieg im Halbfinale selbst verhindern, erste Voraussetzung wäre ein Sieg heute gegen John Fitzgerald, einen Klassemann auf Rasen. Und Australier, und die schlägt das ungehobeltste Genie, das je zum Racket griff, ja besonders gern.

Zwischendurch aber gibt sich der Tennisspieler, der allgemein als der begabteste bezeichnet wird, den es je gab, auch moderat. „Gottverdammt versaut“ werde man im Käfig des Tenniszirkus, erst die Ehe, glaubt er, habe in ihm „den Eisberg schmelzen“ lassen. Zu seinem bislang erfolgreichen Nostalgieauftritt '89 sieht sich McEnroe „so gut vorbereitet wie nie“ - auch was das Hemd betrifft. Am Donnerstag kam er mit lila und grünen Streifen am Ärmel, den Farben des Wimbledon-Clubs. Aber solche kleinen Gesten reichen für einen, der sich maulenderweise zum vierten Sieg durchschlagen will, auch nicht für die Ehrenmitgliedschaft.

Bernd Müllender

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