„VIEL ERFOLG!“

■ Spielplätze und Behörden

„Wir möchten Sie beglückwünschen“, schrieb am 26.Mai 1988 Helmut König, damals noch Kreuzberger Jugendstadtrat, an Christoph Böhm, Initiator des mobilen Spielplatzexperiments „Platzmobil“. „Wir sehen Einsatzmöglichkeiten in der mit sozialen Infrastruktureinrichtungen unterbesetzten Südlichen Friedrichstadt. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.“

Aus dem Erfolg wurde bis jetzt nichts, da nach der Goodwill -Erklärung und einem öffentlichen Auftritt Königs im „Interglotz“ keine unterstützenden Taten folgten. König, jetzt Bezirksbürgermeister, ist gerade in Urlaub gefahren, seine Pressestelle gibt als wahrscheinlichen Grund für das versackte Engagement „zu hohe Kosten“ an. 10.000 Mark, so Böhm, sei aber schon die Untergrenze, um mit zwei Mitarbeitern drei Monate lang arbeiten zu können. Die Ergebnisse des Experiments „Platzmobil“ kämen ja auch der Einschätzung momentaner Spielplatzbedürfnisse und des sinnvollen Einsatzes von bestimmten Plätzen zugute.

Königs Nachfolger, Stadtrat Borchart, zeigt sich aufgeschlossen und verweist auf Briefe, die er an die Senatorin für Frauen, Jugend und Familie geschickt hat. Wo die Sondermittel aus BVV-Beständen fehlen, soll die Senatorin unter die Arme greifen. „Die Mittelvergabe hängt von den endgültigen Haushaltsverhandlungen ab“, heißt es im Senat. Personalmittel seien jedoch nicht in Sicht, da andere Bezirke Vorrang hätten. Derweil hat man im Jugendamt andere Projekte im Auge: Von Containern aus sollen Honorarkräfte Spielanimation treiben mit rund 100 Aussiedlerkindern, die in der Junkerstraße vorübergehend untergebracht sind.

Der Versuch, hier - angesichts realer Probleme - wenigstens notdürftig die trostlose Spielplatzsituation aufzubessern, zeigt, wie verhakt die Spielplatzpolitik des Bezirks sich im allgemeinen gestaltet. Kreuzberg könnte mit seinen vielen unbebaut brachliegenden Flächen ein idealer Bezirk für unreglementierte Freispielflächen und „Abenteuerspielplätze“ sein. Doch das für die Freigabe von Spielflächen verantwortliche Gartenbauamt verweist immer wieder auf Bestimmungen, nach denen die Gelände langfristig als Bauflächen ausgezeichnet sind und deshalb nicht als Spielplätze ausgewiesen werden können. Eine Eltern- und Bürgerinitiative kämpft deshalb schon seit Jahren für Sofortmaßnahmen. Brachliegende Flächen wie z.B. der Anhalter Bahnhof, der 1990 begrünt werden soll, könnte durch eine Absperrung gegen wildes Parken bereits jetzt als Spielfläche benutzt werden. Im Gartenbauamt gibt es auch dagegen gar keine Widerstände, bloß das Tiefbauamt müßte halt endlich in Aktion treten. Ähnlich ist die Situation in der Frage, das Gelände Puttkamer/Wilhelmstraße zu 60 Prozent als Spielplatz zu nutzen, 40 Prozent verblieben als Nutzfläche für die anliegende Schule. Der Kompromiß ist zwar von der BVV bereits beschlossen, aber das Schulamt muß noch seine abschließende Genehmigung geben. Hintergrund für die bürokratischen Hindernisse ist vielleicht auch ein auf Sicherheitsdenken reduziertes Vorstellungsvermögen von eingezäunten Spielkäfigen, was Christoph Böhm als „reaktionären Spielplatzbegriff“ bezeichnet.

Da ist noch einiges Umdenken nötig. Doch während die gutgemeinten Zusagen von Bezirkspolitikern und Verwaltungsangestellten in Bürokratie plus Sommerloch hoffnungslos zu versacken drohen, beginnt ein langer Stadtsommer für Kreuzberger Kinder. Im Zeichen multikultureller und dezentraler Stadtpolitik wäre Kinderlandverschickung nach Bayern jedenfalls keine Lösung.

DoRoh