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Massenproteste beim Pförtner

■ 63.650 Einwendungen gegen das Atomkraftwerk Mülheim-Kläglich / Umweltminister Beth schaltete auf stur / Kurioses zweites Genehmigungsverfahren für das stillgelegte AKW

Mainz (taz) - Kartonweise wurden sie ins Mainzer Umweltministerium geschafft: Insgesamt 63.650 Einwendungen sind gegen die Wiedererteilung der ersten Teilgenehmigung für das AKW Mülheim-Kärlich zusammengekommen.

Die AktivistInnen der Bürgerinitiativen schleppten die Protestfracht am Montag zur Genehmigungsbehörde. Doch der rheinland-pfälzische Umweltminister Alfred Beth war nicht zu sprechen. Die Bürgerinitiativen wurden im Windfang an der Pförtnerloge abgefertigt. Erst nach heftigen Protesten erhielten sie eine Empfangsbestätigung. „Ist das ein Fahrkartenschalter oder ein Ministerium?“ fragte sich nicht nur Baldur Keller von den Christlichen Demokraten gegen Atomkraft. Der grüne Abgeordnete Professor Weiss versicherte, daß selbst die bayerische CSU mit Bürgerprotesten sensibler umgehe als das Mainzer Ministerium. So kurios wie die Übergabe der Unterschriften ist das ganze Verfahren: Für einen schon längst fertiggestellten und in Betrieb gesetzten Reaktor soll jetzt nachträglich und im zweiten Anlauf die erste Genehmigung zur Errichtung der Anlage ausgestellt werden.

Mit dem AKW Mülheim-Kärlich ging im März 1986 einer der teuersten Atommeiler - typgleich mit dem Unfallreaktor von Harrisburg - ans Netz. Kostenaufwand: mehr als sieben Milliarden Mark. Doch Im September 1988 beendete das Bundesverwaltungsgericht Berlin den Betrieb des AKWs und den Klagemarathon des 79jährigen AKW-Gegners Walter Thal. Das Gericht stellte schwere Verfahrensmängel, Mauscheleien und unzulässige Konzeptveränderungen beim Bau des AKWs fest und legte es still.

Mit dem neuen Genehmigungsverfahren, dessen Einspruchsfrist am Montag ablief, wollen das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk und die Landesväter die Sache nun juristisch „bereinigen“. Derweil beschäftigt sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß mit dem merkwürdigen Zustandekommen der ersten, als unzulässig kassierten Genehmigung.

Trotz der jetzt gesammelten 63.000 Einsprüche erwarten die Bürgerinitiativen, daß die erste Teilgenehmigung erteilt wird. Dann kann das AKW „gebaut“ werden. Die Kläger, darunter auch die Städte Neuwied und Bendorf, stehen schon bereit, um gegen erteilte Genehmigungen und die Wiederinbetriebnahme zu klagen.

s.G.

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