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Wo soll das Bettenhaus bleiben?

■ Heute wollen die Senats- und Krankenhausverwaltungen über die Zukunft des Virchow-Krankenhauses entscheiden / Unter den Krankenschwestern und Ärzten im Bettenhaus gärt der Widerstand / Symbolische Besetzung der „Inneren Abteilung I“

Auf den ersten Blick wirkt das Weddinger Gelände des zukünftigen Universitätsklinikums Rudolf-Virchow (UKRV) wie ein freundliches ruhiges Dorf: In einem kleinen Teich plätschern Enten, die Patienten auf den Parkbänken werfen den Tauben Brotkrumen hin, ein Handwerker im Blaumann fährt fröhlich pfeifend auf dem Fahrrad zu seinem nächsten Einsatz. Doch die Ruhe täuscht - auf den Stationen herrscht die Stille eines Verschiebebahnhofs: hektische Betriebsamkeit, die weit über das sonst übliche Maß hinausgeht. Der Anlaß ist die von der Gesundheitsverwaltung verfügte Schließung des chirurgischen Bettenhauses am 7. Juli (die taz berichtete). Diese Schließung sei notwendig geworden, da der „Lärm und Schmutz durch die anstehenden Sicherungsmaßnahmen des Gebäudes sowohl dem Personal wie auch den Kranken nicht zuzumuten sei.“

Die Folgen der Verlagerung dieser 303 Betten auf das übrige Klinikgelände und andere Krankenhäuser sind immens: Dort ansässige Stationen müssen Platz schaffen - deshalb wird ihre Bettenkapazität kurzerhand gekürzt. Viele Stationen müssen umziehen - gestern morgen waren bereits einige Schwestern mit schwarzen Plastiksäcken voll Medikamenten unterwegs in Richtung U-Bahn; ihre Hals-Nasen-Ohren -Abteilung wird nach Charlottenburg verlegt.

Bereits am Dienstag wurde die Innere Abteilung I von Schwestern und Ärzten „symbolisch besetzt“. Chefarzt Gramlich will sich damit gegen die „unproportionale Kürzung“ seiner Station zur Wehr setzen. Künftig nur noch über 64 Betten zu verfügen, sei für seine Abteilung „ruinös“. Dann nämlich wäre eine uneingeschränkte Facharztausbildung benötigt werden dafür mindestens 75 Betten - nicht mehr möglich. Die freiwerdende Kapazität der bislang 84 Betten umfassenden Abteilung soll vom Bereich Frauenheilkunde okkupiert werden - „ein Gebiet, in dem wir uns gar nicht auskennen, denn auch, wenn die Frauenheilkunde ihre Schwestern mitbringt, müssen wir dort mitarbeiten“, empören sich die Schwestern der bisherigen Station „Inneres I“. Allein schon aus räumlichen Gründen lehnen sie die Zusammenlegung ab - für beide Stationen gäbe es nur ein Schwesternzimmer, die sanitären Anlagen müßten gemeinschaftlich benutzt werden. „Damit befänden wir uns wieder auf dem Niveau eines Kreiskrankenhauses.“

Gramlichs lautstarke Proteste lassen sich jedoch nicht nur mit zukünftig schlechten Arbeitsbedingungen erklären - hier geht es um Erbhöfe, mußten die beiden anderen Inneren Abteilungen doch weit weniger Federn lassen. „Als damals der Krankenhausplan '86 verabschiedet wurde, wußten wir ja, was auf uns zukommt, deshalb haben wir auch schon damals dagegen protestiert - nur die Chefärzte haben geschwiegen“, kritisiert der Personalratsvorsitzende Lothar Bemuth.

Jetzt werden die damals befürchteten Schwierigkeiten konkret - auch wenn der als Räumungstermin angekündigte 7. Juli laut Verwaltungsleiter Heini Neher nur ein „Anhaltsdatum“ ist. Optimal für die Verlagerung wäre es, stünden die Pavillons noch - doch die wurden noch vor der Wahl vom CDU-Senat klammheimlich abgerissen.

Für die chronisch-kranken Patienten, die zwar nicht akut gefährdet sind, aber dennoch ständig ärztlich betreut werden müssen, steht nun der dritte Umzug innerhalb eines Jahres bevor. „Erwogen“ wird laut Gesundheitssenatssprecherin Rita Hermanns für sie eine Station in der Kinderklinik Wedding mit Babybadewannen und sonstigen unzureichenden sanitären Anlagen. Personell wird sich ebenfalls einiges verändern. Laut Neher soll zwar niemand entlassen werden - das frei werdende Personal werde „verteilt“ - meist ohne, daß sie darauf Einfluß haben. Groß ist deshalb der Unmut, mit dem die Angestellten den Senat auf der heutigen Sitzung des Errichtungskuratoriums konfrontieren wollen. Dort wird über die weitere Zukunft des UKRV entschieden - entsprechend zurückhaltend waren gestern die Auskünfte über das weitere Procedere von seiten sämtlicher zuständigen Senatsverwaltungen. Gesundheitsstaatssekretärin Ursula Kleinert, verantwortlich für die kurzfristige Schließung des Bettenhauses, wird sich den anstehenden Entscheidungen jedoch nicht stellen müssen - sie befindet sich seit Dienstag im Urlaub.

Martina Habersetzer

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