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Eisenbahnstreik legt Großbritannien lahm

Dritter Streiktag in drei Wochen / Transportgewerkschaften fordern Lohnerhöhungen und einen Stopp der Privatisierung von „British Rail“ / Die Eisenbahngesellschaft macht Rekordgewinne  ■  Von Ralf Sotscheck

Zum dritten Mal während der laufenden Tarifauseinandersetzungen ist Großbritannien gestern durch einen 24stündigen Eisenbahnstreik lahmgelegt worden. Besonders betroffen von dem Streik war London, wo auch keine U-Bahnen fuhren und der Busverkehr empfindlich gestört war. Schon vor sechs Uhr morgens versank die englische Hauptstadt in einem Verkehrschaos, das bis in die späten Vormittagsstunden anhielt. Die meisten Warenhäuser in der Londoner Innenstadt schlossen eine Stunde früher als gewöhnlich. Bei Harrods kam es darüber zu Auseinandersetzungen mit den Angestellten, weil das „königliche Kaufhaus“ verlangte, daß diese Stunde an einem anderen Tag unentgeltlich nachgearbeitet werden sollte.

Den drei Transportgewerkschaften geht es nicht nur um Lohnerhöhungen - „British Rail“ bietet lächerliche sieben Prozent, was unter der britischen Inflationsrate liegt -, sondern auch um künftige Tarifverhandlungen. British Rail will die Arbeiter und Angestellten in fünf verschiedene Gruppen gliedern und in Zukunft nur noch getrennt über die Tarife verhandeln. Damit soll die Privatisierung von British Rail vorbereitet werden, die in den vergangenen zwölf Monaten einen Rekordgewinn von 304 Millionen Pfund (927,2 Millionen DM) gemacht hatte. Für die Privatisierung, die wahrscheinlich auf dem Parteitag der Tories im Herbst beschlossen wird, soll British Rail in fünf Einzelunternehmen aufgespalten werden.

Die britische Premierministerin Margaret Thatcher und ihr Transportminister Paul Channon beschuldigten die Gewerkschaften der Erpressung. Thatcher dachte in der vergangenen Woche laut darüber nach, dem Parlament ein Gesetz vorzulegen, das Streiks im öffentlichen Dienst untersagt. Die Gewerkschaften haben für nächsten und übernächsten Mittwoch weitere Streiks angekündigt.

Der Eisenbahnstreik kommt Thatcher zur Zeit nicht ungelegen, da er von den Verlusten der Tories bei den Europawahlen ablenkt. Einen längeren Arbeitskampf, der bei der Bevölkerung nicht gerade populär ist, könnte Thatcher der „Labour-Gewerkschaftspartei“ in die Schuhe schieben und deren neues, moderates Image angreifen. Weitere Streiks stehen in Großbritannien vor der Tür. Noch in dieser Woche finden die Urabstimmungen der Krankenwagenfahrer und der Angestellten in der Wasserindustrie statt. Bereits seit Dienstag streiken 4.000 Arbeiter auf 26 Ölbohrinseln für Lohnerhöhungen und größere Sicherheit am Arbeitsplatz.

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