piwik no script img

Verraten und verkauft

■ Der Exitus des Linksrheinischen Rundfunks / SPD verschachert ihren privaten Radiosender / Kommerzinteressen statt linker Berichterstattung

Wer in der ersten Juli-Woche im Südwesten der Republik nach 16 Uhr sein Radio auf die Frequenz des rheinland-pfälzischen Privatfunks einstellte, der konnte zwar weiterhin die „LR -Rush-Hour“ finden, aber die Beiträge waren inhaltsloser und seichter als gewohnt. Der Grund: Hörbar ist seit dem 1.7. nur noch eine Hülse des ehemaligen Linksrheinischen Rundfunks (LR). Der verleiht seitdem zwar der althergebrachten Sendezeit noch weiter seinen Namen, das Programm aber wird vom neuen Eigner der Sendelizenz gemacht: dem rheinland-pfälzischen Verlegerrundfunk „RPR“.

Drei Jahre und 2 Monate dauerte die Ära der Linksrheiner. Seit dem „medienpolitischen Urknall“ beim Start des Privatfunks in der Bundesrepublik am 1.Mai 1986 in Ludwigshafen waren die Funker aus dem Umkreis der linkeren SPD und der Jusos im Äther präsent. Oftmals erfrischend dilletantisch und frech entwickelten die LR-Macher ihre eineinhalb Stunden Sendezeit zu einer gemäßigt alternativen Oase im Dudelfunk des Südwestens. „Ins redaktionelle Programm“, so Ex-Redakteur Carsten Ascheberg, „hat uns die SPD jedenfalls nie hereingepfuscht, da hatten wir volle Unabhängigkeit“.

Abhängigkeiten gab es dagegen auf wirtschaftlicher Ebene. Seit Februar 1987 gehörte der LR zu 100 Prozent über die „Printmedien Beteiligungsgesellschaft“ dem Unternehmensbereich der SPD. Dem neuen Eigner ging es nicht wie den LR-Gründervätern um ein „anderes Radio“. Offen erklärte etwa Ulrich Hürter, Geschäftsführer der Radio -Holding „Lokal-Regionalfunk Gmbh & Co KG“ daß es seiner Gesellschaft letzlich um das Geschäft gehe, das man im Privatfunkbereich glaubte machen zu können. Konsequent setzen die SPD-Unternehmer inzwischen vor allem auf Minderheitenbeteiligungen wie etwa beim Heidelberger Radio Regenbogen (7,5%), wo eine reine Finanzanlage getätigt wurde, während die inhaltliche Ausrichtung durch die dominanten Verlegerverbände bestimmt wird. Man täte der SPD wahrhaft Unrecht, wenn man ihr unterstellte, daß sie sich etwa bei Radio Regenbogen in irgendeiner Weise für einen „Rotfunk“ engagierte oder Energie darauf verwendete, Freiräume für unabhängigen Journalismus zu schaffen.

Die Lizenzen im rheinland-pfälzischen Privatfunk waren zunächst bis zum 1.Juni 1990 vergeben worden. Ursprünglich hatten die LR-Macher darauf gesetzt, bei der anstehenden Neuverteilung eine längere Sendezeit herauszuschlagen. Spätestens aber als klar wurde, daß die für die Vergabe zuständige Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter ab 1990 statt vorher vier nur noch einen Veranstalter sehen wollte, der die gesamte 24-stündige Sendezeit einheitlich gestaltet, war dieser Traum geplatzt. Die Interessen der Belegschaft an freieren Arbeitsbedingungen und die Geschäftsinteressen der SPD-Unternehmer gerieten vollends in Widerspruch.

Zwar formulierten beide Seiten noch Anfang des Jahres die Vorstellung, ein gemeinsames Rahmenprogramm zusammen mit RPR anzustreben, in dem weiter eigenständig gestaltete Einheiten vertreten sein sollten. Als aber die Verlegergemeinschaft RPR im März der LR-Geschäftsleitung ein Ultimatum stellte, sich gegen eine 9-prozentige Beteiligung in ihre Gesellschaft aufzulösen, reagierten die Sozis panisch. Ohne die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft zu beachten, wollten die SPD-Geschäftsleute auf das Angebot eingehen. Erst eine heftige Intervention des Betriebsrats („der SPD -Unternehmensbereich bereitet den Weg für ein nahtloses journalistisches Doppelmonopol der rheinland-pfälzischen Zeitungsverleger“), der Gang an die Öffentlichkeit und die Drohung, für den Fall einer fehlenden Einigung einfach bis Mitte 1990 weiterszusenden, ließ die Geschäftsführung schließlich ein Papier unterschreiben, das dem Betriebsrat wenigstens eine Art Einspruchsrecht gegen die Verhandlungsergebnisse zugestand.

Trotzdem mußte die Belegschaft schließlich mit wenig zufrieden sein. Aus der Forderung, einen eigenständigen Platz zu erhalten, der weiter „die spezifische Klangfarbe des LR“ ausstrahlen sollte, wurde nichts. Statt dessen wird nun der größte Teil der bisherigen LR-Redakteure in das Redaktionsteam von RPR eingegliedert, der Rest wurde auf verschiedene Art sozial halbwegs abgefedert.

Daß in den Verhandlungen nicht mehr herausgeholt werden konnte, erklärt der ehemalige Betriebsratschef Carsten Ascheberg vor allem damit, daß sich die diversen Anbieter des LR, vor allem der DGB, nicht für die Forderungen der LR -Macher stark gemacht hätten. Weiter noch geht der frühere Geschäftsführer des LR Heinz-Hermann Storck. Für den seinerzeit von der Redaktion als „Garant der Unabhängigkeit des LR“ apostrophierten Mitbegründer des LR sind die linken Radio-Macher im vollen Wortsinn verkauft worden, und zwar vor allem vom rheinland-pfälzischen SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping. „Der hat das Ende des LR selbst betrieben, um sich im Gegenzug eine wohlwollendere Berichterstattung der Zeitungsverleger über seine Partei zu erschleichen“, erklärte Storck gegenüber der taz. Auch Storck ist überzeugt, daß der LR weiterbestehen könnte, wenn das formell hinter ihm stehende Spektrum aus Umweltverbänden und Gewerkschaften das wirklich gewollt hätte.

Für diese Auffassung spricht, daß die Landesanstalt für privaten Rundfunk Anfang der Woche die rheinland-pfälzische Sendelizenz für das gesamte 24-Stunden- Programm ab 1990 an RPR (inclusive den Ex-LR) vergeben hat. Mit ausschlaggebend dafür, daß der Mitbewerber, der ehemalige hessische FDP -Wirtschaftsminister Klaus-Jürgen Hoffie mit seiner PRO -Radio 4-Gruppe leer ausging: Die große Anzahl gesellschaftlicher Gruppen, die sich hinter RPR versammelt habe, gewährleiste am besten die Pluralität und die Meinungsvielfalt des künftigen Senders.

Rolf Gramm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen